Philipp Hochmair (links) als Reinhard Heydrich, Jakob Diehl als Heinrich Müller und Johannes Allmayer als Adolf Eichmann.

Foto: ORF/ZDF/Julia Terjung

Am 20. Jänner 1942 trafen sich 15 hochrangige Vertreter des NS-Regimes in einer Villa am Berliner Wannsee, um die "Endlösung der Judenfrage" zu organisieren. Dazu eingeladen hatte der Chef der Sicherheitspolizei, Reinhard Heydrich.

ORF und ZDF zeigen am Montag um 20.15 Uhr den Film Wannseekonferenz, bei dem Matti Geschonneck Regie führte und in dem der Österreicher Philipp Hochmair Heydrich verkörpert. Der Film basiert auf einem Konferenzprotokoll, das den Krieg überdauert hat. Als zweiter Österreicher ist Simon Schwarz dabei, er spielt Martin Luther, den Unterstaatssekretär aus dem Berliner Auswärtigen Amt.

STANDARD: Sie haben ein breites Repertoire an Rollen. Nun spielen Sie in der ZDF-Verfilmung "Wannseekonferenz" Reinhard Heydrich. War das eine Figur wie viele andere oder doch eine besondere Herausforderung?

Hochmair: Dieser Film war in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Projekt. Zusätzlich zu dem zutiefst traurigen Thema wurde er unter Corona-Bedingungen – vor der Impfung – gedreht. Wir waren also vollständig isoliert. Eine einzige Corona-Infektion hätte den Film zu Fall gebracht. Ich war also in diesen zwei Monate ausschließlich mit meinen Kollegen, in Nazi-Uniformen, zusammen.

STANDARD: Das klingt düster.

Hochmair: Ja, eine merkwürdige Zeit. Es war nicht einfach, sich diesem Charakter zu nähern.

STANDARD: Wie gingen Sie vor?

Hochmair: Das Drehbuch ist fast wie ein Theaterstück. Die grauenhafte menschenverachtende Sprache der Täter zu lernen, war für mich ein bizarres Erlebnis. Diese Sprache ist künstlich, kalt und herzlos. Und dazu kommt das Einakterprinzip: die Einheit von Zeit und Raum. Das heißt, wir zeigen die 90 Minuten Konferenz in 90 Minuten Film. Das bedeutet: Man erarbeitet in zwei Monaten eine Geschichte, die wirklich in nur 90 Minuten stattgefunden hat. Man muss also auch fast zwei Monate lang immer genau gleich aussehen. Das betraf das Gewicht, die Frisur und so weiter.

STANDARD: Als Heydrich organisieren Sie höflich, gut gelaunt und optimistisch die Vergasung von Millionen Menschen, erklären etwa, dass "Mitleid oder Bedauern" gegenüber den Juden "gänzlich unangebracht" seien. Wie haben Sie sich vorbereitet?

Hochmair: Ich habe mir viele Dokumentationen über die Beteiligten der Konferenz und über die Zeit angesehen. Aber nicht geahnt, was da alles auf mich zukommen wird. Ich habe ja schon einige böse Rollen gespielt, aber Heydrich hat alles getoppt. Jegliche Form von Moral auszulöschen und diese Kälte und Ruhe Heydrichs zuzulassen war eine ganz neue Herausforderung.

STANDARD: Was fiel Ihnen bei dieser Figur besonders schwer?

Hochmair: Es gab verschiedene Phasen. Anfangs hatte ich das Bedürfnis, dem Zuschauer die böse Seite Heydrichs klar zu zeigen. Dann kam der Moment, wo ich gedacht habe: Ich bin das jetzt. Und schließlich war ich so weit zu sagen: Ich meine das auch wirklich, was er hier sagt. Man geht also bewusst in das Böse hinein und übertritt eine Linie, verlässt jeden moralischen Kontext.

STANDARD: Wie hängten Sie die Rolle abends nach Drehschluss dann wieder an den Nagel?

Hochmair: Wir haben jeden Tag zehn Stunden in den Berliner Union-Filmstudios gedreht. Danach bin ich immer lange Rad gefahren oder gelaufen. Nach Drehschluss musste ich immer wieder aufs Neue diese menschenverachtende Kraft aus meiner Seele schütteln.

STANDARD: Heydrich ist gebildet, im Film höflich und eloquent, scheut aber keine grausamen Entscheidungen. Was sagt das über ihn?

Hochmair: Meiner Meinung nach ist er ein perfekter Blender. Er will Macht und Anerkennung. Er war nach seiner unehrenhaften Entlassung von der Marine lange arbeitslos, bis er nach einem Vorstellungsgespräch bei Himmler plötzlich Chef des Geheimdiensts wurde. Und hier sieht er die Chance, "etwas Großes" zu leisten.

STANDARD: Waren Sie eigentlich gleich angetan vom Angebot, Heydrich zu spielen?

Hochmair: Ich habe natürlich erst mal gezögert! Aber ich dachte, so ein brillantes Team wie das um Regisseur Matti Geschonneck bietet die Chance auf eine respektvolle Aufarbeitung. Nach der Zusage bin ich dann quasi in einen Zug gestiegen, der mich auf einen ganz finsteren Planeten gebracht hat. Ich konnte nicht ahnen, was da alles auf mich zukommen wird.

STANDARD: Hat es sich gelohnt?

Hochmair: Ich will den Zuschauerinnen und Zuschauern Mut machen, den Film anzusehen. Abgesehen von der geschichtlichen Bedeutung hat er einen sehr hohen filmischen Anspruch.

STANDARD: Warum darf es bei der Erinnerungsarbeit keinen Schlussstrich geben?

Hochmair: Der Holocaust ist das schlimmste Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Aktive, reflektierte Erinnerungskultur ist in unserer Zeit enorm wichtig. Noch im Bosnienkrieg kam es an den Grenzen zu Europa zu ähnlichen Gräueltaten. Man kann nur hellwach bleiben und alles dafür tun, dass so etwas nie wieder passiert. (Birgit Baumann, 24.1.2022)