Ohrenschmeichelnd: Gidon Kremer im Wiener Konzerthaus.

Foto: Angie Kremer

Der Konzerthaus-Zyklus "Virtuos!" hat ein Rufzeichen im Namen. In der Zeitung gilt dieses nicht gerade als guter Stil, doch wäre die Versuchung groß, für einen Abend der Superlative mehrere davon zu verbraten. Denn gleich drei lebende Legenden waren im Großen Saal im allerfeinsten kammermusikalischen Miteinander zugange, Gidon Kremer auch solistisch mit zwei neueren Stücken.

Sowohl Valentin Silvestrovs leichtfüßige Serenade als auch Igor Lobodas dunkel pochendes Requiem für Violine solo bewegen sich fern von dominanten Strömungen zeitgenössischer Musik, sind sehr ohrenschmeichelnd geschrieben. Unter den Händen Kremers klingen beide wie Kunstwerke von Ewigkeitswert: noch im Flüstern intensivste, eindringliche Seelenmusik. Ähnlich gestaltete der Geiger seinen Part in Mieczysław Weinbergs lyrisch-melodiöser, trauervoller 5. Violinsonate.

Pingpong mit Humor

Zuvor hatten Martha Argerich und Mischa Maisky bei Beethovens Cellosonate op. 5/2 eine Art humoristisches Pingpongspiel gegeben: mit großem Klang und Lust an – auch schroffer – Pointierung. Ein nachdrücklicher Beweis, dass sich auch mit einem traditionsverbundenen interpretatorischen Ansatz die gebotene Drastik erzielen lässt.

Zum atemlosen Mitfiebern war auch die Interpretation von Schostakowitschs 2. Klaviertrio: völlig entrückt der Dialog der beiden Streicher im Kopfsatz, von traumhafter schmerzlicher Schönheit die Eingangsakkorde des Largos und die dann einsetzende Geigenmelodie, bitterböse und doch mit befreiendem Sarkasmus die beiden raschen Sätze und insbesondere das Finale. (daen, 22.1.2022)