In ihrem Gastblog beschreibt die New Yorkerin Stella Schuhmacher die Corona-Situation vor Ort.

"Lassen Sie mich klarstellen - wir gewinnen", sagte der New Yorker Bürgermeister Eric Adams auf einer Pressekonferenz im Rathaus vergangene Woche. "Wir werden gewinnen, weil wir widerstandsfähig sind." Die Zahl der Coronavirus-Fälle verringert sich in der Acht-Millionen-Metropole seit kurzem. Adams, ein Demokrat, der seit Beginn des Jahres im Amt ist, wies auf die durchschnittliche Zahl der täglich registrierten Fälle hin. Von einem Höchststand von mehr als 40.000 sind sie auf mittlerweile weniger als 15.000 gesunken. Adams ermutigte die New Yorker Bevölkerung, sich weiterhin impfen zu lassen und Masken zu tragen. Die Stadt hat 16 Millionen Impfdosen verabreicht, darunter 2,5 Millionen Auffrischungsdosen. Stadtdaten zeigen, dass 74 Prozent aller erwachsenen New Yorker und 47 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen fünf und 17 Jahren vollständig geimpft sind.

Am Rande des Omikron-Abgrunds

In den Wochen vor Weihnachten hatte man in New York das Gefühl, wieder am Rande eines Abgrunds zu stehen, ähnlich wie im März 2020, als die Stadt am Beginn der Pandemie ein Epizentrum war. Infektionszahlen schnalzten mit atemberaubender Geschwindigkeit in die Höhe. Zum ersten Mal färbte sich die gesamte Fläche der USA auf der Coronakarte der "New York Times" gleichzeitig dunkelrot. Die Menschen trugen wieder Maske auf der Straße, wichen einander in großem Bogen aus. Vor den mobilen Covid-Teststationen bildeten sich Schlangen, die sich um ganze Häuserblöcke schlängelten. Wartezeiten von drei Stunden waren keine Seltenheit. Auf der Webseite eines Kinderarztes wurde vor einer Wartezeit von bis zu vier Tagen auf PCR-Test-Resultate gewarnt. Informationen zu Omikron gab es im Dezember nur wenige. Führt die Mutante zu schweren Verläufen? Wenn ja, für wen? Wie gut wirkt die Impfung? Der Booster? Was ist mit Infektionen bei Kindern? Studienergebnisse aus Südafrika und Großbritannien trafen nur langsam ein.

Schlangen beim Covidtesten im Dezember.
Foto: Stella Schuhmacher
Seit einer Woche sind die Warteschlangen verschwunden.
Foto: Stella Schuhmacher
Covid-Tests am Filmset in den Straßen New Yorks.
Foto: Stella Schuhmacher

Die Schulen wurden zu Übertragungsorten. Eine Mutter erzählte, dass sie am Montagmorgen vor Weihnachten ein E-Mail von der High-School ihres Sohnes erhielt, in der Eltern gebeten wurden, die Kinder nicht mehr in die Schule zu schicken, weil man das Infektionsgeschehen nicht mehr kontrollieren könne. Offiziell musste die Schule aber geöffnet bleiben. Ihr Sohn war zu dem Zeitpunkt bereits in der Subway, trat dann aber wieder die Rückreise nach Hause an. Auch der „Return-to-Office“, die Rückkehr ins Büro aus dem Homeoffice, wurde vielerorts wieder rückgängig gemacht. Wer kann, arbeitet wieder in den eigenen vier Wänden. 

Der Screenshot der "NYT" zeigt die täglichen gemeldeten Fälle.
Screenshot: New York Times

Nach den Winterferien ging es zunächst so weiter. Viele waren selbst am Virus erkrankt oder hatten Verwandte oder Freunde, die entweder die Ferien im Bett verbracht hatten oder sich gerade in Quarantäne befanden. Symptome waren meistens mild, wie Halsweh, Kopfweh, leichtes Fieber und Müdigkeit. Die Schulen begannen das neue Jahr am 3. Jänner. Es war völlig unklar, wie lange sie bei täglichen Neuinfektionen von mehr als 40.000 tatsächlich offen bleiben würden. 

Striktere Maßnahmen gab es außer der Wiedereinführung der allgemeinen Maskenpflicht in allen öffentlichen Innenräumen nicht. Die Quarantänelänge wurde vom Centers for Disease Control and Prevention von zehn auf fünf Tage reduziert. Indoor-Dining ist weiterhin nach Kontrolle des Impfstatus erlaubt. Der Handel ist offen. 

Covid-19-Regeln in der Gastronomie.
Foto: Stella Schuhmacher
Humorvolles Wortspiel an einer Restauranttüre.
Foto: Stella Schuhmacher
Die Outdoor-Dining-Hütten gibt es noch immer überall.
Foto: Stella Schuhmacher

Der Kulturbetrieb läuft weiter

Theateraufführungen und Konzerte finden mit Ausweiskontrollen, Impfnachweisen und Masken statt. Immer wieder müssen Aufführungen allerdings kurzfristig abgesagt werden, da Schauspieler, Musiker oder anderes Personal erkrankt sind. Einige Broadway-Shows, sowohl Musicals als auch Theaterstücke, beenden im Jänner vorzeitig ihre Aufführungszeit, da das Publikum ausbleibt und zu viele Sitze leer sind. Auch Museen sind geöffnet. 

Viele Sitzplätze bleiben zurzeit am Broadway leer.
Foto: Stella Schuhmacher
"Girl from the North Country" mit Musik von Bob Dylan ist ein Musical, das früher endet.
Stella Schuhmacher
In der Metropolitan Opera gehen die Aufführungen weiter. Hier wird Rigoletto angekündigt.
Stella Schuhmacher
2-for-1 Tickets bis Mitte Februar.
Stella Schuhmacher

Und jetzt?

Plötzlich geht die offizielle Fallkurve steil nach unten. Seit vergangener Woche gibt es kaum mehr positive Fälle in der Schule meiner Kinder, weder unter den Schülern noch dem Schulpersonal. Die Warteschlangen vor den Teststationen sind verschwunden. Gestern wurden sogar nur noch 5,500 Neuerkrankungen im Stadtgebiet gemeldet. Die "New York Times" schreibt: "Die Fälle sind in letzter Zeit zurückgegangen, aber immer noch extrem hoch. Die Zahl der hospitalisierten Covid-Patienten und Todesfälle im Raum New York City ist wieder angestiegen. Die Testpositivitätsrate in New York City ist sehr hoch, was darauf hindeutet, dass die Fallzahlen deutlich unterschätzt werden.“ Man kann also einfach nur hoffen, dass sich der Trend bei den Neuinfektionen fortsetzt.

Das folgende Schild in einem Buchgeschäft drückt die Stimmung wohl am besten aus:

"Please note. We have moved a few books around. Travel is now in the fantasy section, sci-fi in current affairs and epidemiology is in selfhelp." - "Wir haben ein paar Bücher umgeschichtet. Reisebücher befinden sich in der 'Fantasie-Abteilung', Science-Fiction befindet sich in 'Aktuelles' und Epidemiologie unter 'Selbsthilfe'." (Stella Schuhmacher, 25.1.2022)

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