Mit dieser hohen Zustimmung hat kaum jemand gerechnet, am wenigsten wohl Friedrich Merz selbst. Das zeigte seine Reaktion am Parteitag. Als die 94,6 Prozent verkündet wurden, verdrückte er Tränen. Es ist ein sehr starkes Ergebnis, erst recht für einen wie Merz. Man erinnere sich: Kaum jemand hat die Partei in den vergangenen Jahren so polarisiert wie der Sauerländer. Und nun hat sich die CDU fast geschlossen hinter ihn gestellt.
Allerdings hat dies nicht alleine mit der Person Merz zu tun, sondern mit der Situation, in der sich die CDU befindet. Sie ist nach 16 Jahren und nach dem Abgang von Angela Merkel in Opposition aufgewacht. Das ist bitter für eine Partei, die sich als die natürliche KanzlerInnen-Partei in Deutschland begreift. Es dämmert nun auch den letzten in der Union, dass es so nicht weitergehen kann – dass Spaltung und Streit aus dem Bundestagswahljahr 2021 überwunden werden müssen. Denn genau deshalb – und wegen der Patzer von Armin Laschet – ist sind CDU/CSU bei der Wahl ja so abgestraft worden.
Argumente gegen und für Merz
Natürlich gab es einige gewichtige Argumente gegen Merz: Er ist 66 Jahre alt und damit nicht unbedingt ein Signal des Aufbruchs. Er gilt als Egomane, der lieber auf sich selbst setzt. Doch der ehemalige Fraktionschef bringt auch einiges mit: Er kann zuspitzen wie kein Zweiter in der Union, CSU-Chef Markus Söder mal ausgenommen. Und das braucht die Union in der Opposition. Ihre Bühnen und damit ihre Auftrittsmöglichkeiten sind begrenzter als jene der Regierung. Dass er Kanzler Olaf Scholz herausfordern wird, das hat Merz schon auf diesem Wahlparteitag deutlich gemacht.
Offensichtlich will die CDU jetzt sehr eindeutig von Merz aus dem Tal der Tränen herausgeführt werden und hat ihn dafür mit einem starken Mandat ausgestattet. Merz wird dennoch ein Teamplayer sein müssen und das Projekt "Wiederauferstehung der CDU" nicht als One-Man-Show begreifen. Die schwierigere Aufgabe für ihn kommt nämlich noch: Nach der CDU muss er auch noch die Wählerinnen und Wähler überzeugen. Gelingt ihm das nicht, bleibt das Kanzleramt für die Union für viele Jahre in weiter Ferne. (Birgit Baumann, 22.1.2022)