Die Ukraine befindet sich in einer dynamischen Situation.

Foto: AFP / Sergei Supinksy

Wien/Kiew – "Jeder ukrainische Erfolg ist eine Zerstörung von Putin'schen Mythen", sagt der neue Botschafter der Ukraine in Wien, Wassyl Chymynez, im Gespräch mit der APA. Der Diplomat hofft, dass laufende Gespräche Russland dazu veranlassen, zu deeskalieren und Truppen aus der Grenzregion zur Ukraine abzuziehen. Sehr positiv bewertet der Botschafter den politischen Dialog zwischen Österreich und der Ukraine.

Russland versuche die Ukraine von ihrem Weg in Richtung eines freien, demokratischen Europas mit Wohlstand abzubringen, erklärte Chymynez in einem Videotelefonat am Freitag. Der 52-jährige Karrierediplomat hat Mitte Jänner nach monatelanger Verzögerung durch die Pandemie sein Beglaubigungsschreiben an Bundespräsident Alexander Van der Bellen überreicht.

Druck aufgrund von Erfolg

"In den letzten Jahren sehen wir, dass der Druck, die militärische Bedrohung immer stärker wird. Warum? Weil die Ukraine erfolgreicher wird", sagte er. Sein Land sei wirtschaftlich stärker geworden, Reformen auf Basis des Assoziierungsabkommens mit der EU liefen und Ukrainer könnten mittlerweile visafrei in die EU reisen. Putin habe diese Entwicklung beobachtet und glaube nun, sie mit brutalem Druck und womöglich auch Krieg stoppen zu können.

Gleichzeitig gestand Chymynez ein, dass mache Reformvorhaben schwierig und teils unpopulär seien. "Die Reform der Justiz ist etwa ein schwieriger Prozess und es ist wichtig, dass die Ukraine hier eng mit Partnern zusammenarbeitet", sagte er. Derzeit ist umstritten, dass Wirtschaftssanktionen – auch gegen eigene Staatsbürger – nicht auf Basis von Gerichtsbeschlüssen, sondern per Präsidentenerlass nach Vorschlägen des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats (RNBO) verhängt werden. Am Freitag traf dies auch den prominenten Wiener Architekten Wolf D. Prix. Chymynez bezeichnete das als "Notlösung angesichts realer russischer Drohungen gegen die Ukraine".

Drohkulisse wirkt sich auf Wirtschaft aus

Psychologisch mache es jedenfalls die aktuelle russische Bedrohungskulisse für die Bevölkerung seines Landes nicht einfach. Deshalb begrüße er die kürzliche Videobotschaft von Wolodymyr Selenskyj. Der ukrainische Präsident hatte am Mittwochabend die Ukrainer beruhigt und erklärt, dass es zu keinem großen Krieg mit Russland kommen werde.

Auswirkungen hat die aktuelle angespannte Lage an den ukrainischen Grenzen aber auf die Aktivitäten des Botschafters in Österreich. "Gespräche mit österreichischen Investoren und der Wirtschaft sind derzeit nicht leicht. Es gibt Sorgen", so der Diplomat, der den Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen als Schwerpunkt seiner Tätigkeit sieht. Es gebe aber die Überzeugung, dass sich die Ukraine mit ihren westlichen Partnern durchsetzen und es zu einer Deeskalation kommen werde, betonte Chymynez.

Österreichische Unternehmen würden für sich auch eine Perspektive am ukrainischen Markt erkennen und das bilaterale Handelsvolumen steige. Nach 1,6 Milliarden Dollar (1,41 Milliarden Euro),– Ausgangspunkt dieser Summe seien Berechnungen vom September 2021 – hoffe man dieses Jahr die Marke von zwei Milliarden Dollar (1,76 Mrd. Euro) zu überspringen.

"Guter Dialog"

"Wir haben mit Österreich einen sehr guten politischen Dialog", lobte der Botschafter den Zustand der bilateralen Beziehungen. Er sei fest überzeugt, dass Österreich die Ukraine bei einem Weg in die EU unterstützen werde, betonte der Botschafter. Österreich habe im vergangenen Oktober eine Erklärung beim EU-Ukraine-Gipfel unterstützt, in der es sehr positive Signale zur europäischen Perspektive seines Landes gegeben habe.

"Ich bin daher guter Hoffnung, dass Österreich und die Ukraine auch eine diesbezügliche bilaterale Vereinbarung unterzeichnen könnten", sagte Chymynez. Er verwies dabei auf eine Initiative von Präsident Selenskyj, der mit einigen EU-Staats- und Regierungschefs – zuletzt im Dezember 2021 mit Sloweniens Premierminister Janez Janša – Vereinbarungen unterzeichnete. Die jeweiligen EU-Staaten hatten darin erklärt, für eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine zu stimmen, sobald dies möglich wäre.

Causa Coop Himmelb(l)au

In Bezug auf die aktuelle Causa Coop Himmelb(l)au rechnete der Botschafter mit keiner Beeinträchtigung der guten bilateralen Zusammenarbeit, die schließlich auf "gegenseitigem Respekt" basiere. Das Wiener Architekturbüro und dessen Chef Wolf D. Prix waren am Freitag auf Vorschlag des Nationalen Sicherheitsrates von Präsident Selenskyj mit Wirtschaftssanktionen belegt worden. Hintergrund ist ein Opernbauprojekt im 2014 von Russland annektierten Sewastopol.

"Es gab Gespräche mit dem Unternehmen, in denen erklärt wurde, dass die Tätigkeit auf besetztem Territorium sowie die Kontakte mit dem russischen Besatzungsregime eine grobe Verletzung der Souveränität und der territorialer Integrität der Ukraine sind", kommentierte Chymynez. Coop Himmelb(l)au sei damals auch gewarnt worden, dass mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen sei. (APA, red, 23.1.2022)