Peter Hacker kritisierte in einem Brief an den Gesundheitsminister das Datenchaos.

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Nicht alle Personen in Österreich dürfen die eigenen vier Wände ohne Einschränkungen verlassen. Der Lockdown für Ungeimpfte gilt seit Mitte November. In Restaurants ist trotz 2G-Regel um 22 Uhr Schluss.

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Es sei unglaublich, schimpfte der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) in einem Brief an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne): "Ich hab heute den mit Abstand schlechtesten aktuellen Überblick über die Situation in der Bundeshauptstadt seit Beginn der Pandemie." Anlass für Hackers Kritik waren Ausfälle im elektronischen Meldesystem (EMS) respektive in der Datenweitergabe vom Bund an die Länder. Für Hacker ein "Sicherheitsrisiko", weil "keine Übergaben von Covid-19-Positiven in ein anderes Bundesland erfolgen" können. Man werde von der Regierung "in der Luft hängen gelassen", außerdem würden Falschmeldungen über das reibungslose Funktionieren des EMS verbreitet, kritisierte Hacker.

Die Probleme liegen an den neuen Rekordwerten an Neuinfektionen, die dann am Samstagabend endlich für die vergangenen Tage bekannt wurden. Am Donnerstag wurden 24.314 Fälle gezählt, am Freitag 25.346 und am Samstag 24.260. Am Sonntag wurden 22.453 Fälle kommuniziert. Und dabei wird es nicht bleiben. Ein Bericht der Gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination Gecko weist etwa darauf hin, dass es in wenigen Tagen bis zu 40.000 Fälle täglich geben könnte – sofern weiterhin so viel getestet wird wie derzeit. Oberösterreich kündigte bereits an, bei derart hohen Fallzahlen das Contact Tracing einzustellen.

192 Corona-Intensivbetten belegt

Gleichzeitig ist die Situation in den Spitälern auch dank des Impffortschritts noch überschaubar. Aktuell werden weniger als 200 Intensivbetten für die Versorgung von Covid-19-Infizierten benötigt. Am Sonntag waren es 192. So wenige Betten waren zuletzt Mitte September 2021 belegt, als sich die Delta-Welle langsam aufzubäumen begann – und bis Dezember zu mehr als 660 belegten Intensivbetten führte.

Diese systemkritische Dimension dürfte in der Omikron-Welle vorerst aber kein Thema sein. So wies die Corona-Kommission darauf hin, dass bis Anfang Februar trotz der explodierenden Fallzahlen nur ein "moderater Anstieg" bei der Auslastung der Intensivstationen zu erwarten sei. Bis 3. Februar werden im Punktschätzer der Prognoserechnung des Covid-Konsortiums rund 260 belegte Intensivbetten erwartet.

Lockdown für Ungeimpfte fortgesetzt

Was aber bedeutet diese erwartete Entwicklung für die Maßnahmen in Österreich? So nannte die Bundesregierung von Beginn der Pandemie an den Schutz der Spitäler als einen der wichtigsten Punkte. Im Zentrum stand dabei bisher die Auslastung der Intensivstationen. Aber selbst der Stufenplan der Regierung im Herbst vergangenen Jahres sah erst ab 200 belegten Intensivbetten erste Verschärfungen vor – und einen Lockdown für Ungeimpfte ab 600.

Dieser Lockdown ist freilich immer noch in Kraft, und das seit Mitte November. Zuletzt wurde die Maßnahme um zehn Tage bis zum 30. Jänner verlängert. Die Stimmen, die ein Aus dieser Einschränkungen angesichts von 200 belegten Intensivbetten fordern, mehren sich. Immerhin sind parallel dazu auch weitreichende 2G-Regeln in Kraft, dazu kommt die Impfpflicht. Die Opposition ist nun geschlossen gegen seine Fortsetzung.

Spätere Sperrstunde gefordert

Die Sperrstunde um 22 Uhr ist zudem den Wirtschaftstreibenden ein Dorn im Auge. Am Wochenende berichtete Puls 24 mit Verweis auf "Wirtschafts- und Regierungskreise", dass die Regierung darüber berate, die Sperrstunde um 22 Uhr und den Lockdown für Ungeimpfte zu beenden. Gesundheitsminister Mückstein wollte das nicht bestätigen. "Die Lage wird immer laufend evaluiert und die Fakten gesichtet. Derzeit gibt es keine Entscheidung dazu", hieß es auf STANDARD-Anfrage aus Mücksteins Büro.

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) verwies am Sonntag auf Anfrage auf die Gecko. "Man muss genau bewerten, ob die 22-Uhr-Sperrstunde einen Effekt hat. Zuerst müssen wir jedoch die Welle brechen, dann können Lockerungen kommen."

Mückstein hat bereits angekündigt, den Fokus auf Normalstationen zu legen. Auch die Corona-Kommission verweist darauf, dass – anders als in bisherigen Wellen – aufgrund der reduzierten Virulenz von Omikron und der hohen Fallzahlen "Kapazitätsengpässe in der stationären Versorgung zunächst auf Normalstationen auftreten" können.

3.000 Normalbetten als Grenzwert definiert

Dort wird ein deutlicher Anstieg erwartet, jedoch von einem niedrigen Niveau aus. Am 19. Jänner (da waren 869 Betten belegt) lag die Covid-19-spezifische Auslastung bei 2,3 Prozent. Laut Corona-Kommission liegt der Grenzwert, ab dem nur noch ein Akutbetrieb der Spitäler gewährleistet werden kann, bei rund 3.000 belegten Betten. Auf dem Höhepunkt der Delta-Welle im Herbst wurden knapp 2.800 Normalbetten benötigt.

Am Sonntag waren 937 Normalbetten belegt – um 266 mehr als vor einer Woche. Es gibt also noch Kapazitäten. Ein limitierender Faktor ist aber das medizinische Personal: Je mehr Mitarbeiter in Quarantäne müssen oder sich infizieren, desto weniger Patientinnen und Patienten können betreut werden. Laut Ministerium gibt es Vorbereitungen, auch private Krankenanstalten und Reha-Einrichtungen einzubinden. (David Krutzler, Fabian Schmid 23.1.2022)