Ein Sportwagen im Abendlicht. Im konkreten Fall kam allerdings ein Bugatti zum Einsatz.

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Magdeburg – Ein tschechischer Multimillionär ist mit 417 Kilometern pro Stunde über eine deutsche Autobahn gerast – und hat ein Video davon ins Internet gestellt. Die Polizei leitete am Montag Ermittlungen gegen Radim Passer wegen eines mutmaßlichen illegalen Straßenrennens ein, sagte eine Sprecherin in Magdeburg. Die Staatsanwaltschaft werde den Fall prüfen. Die Videos des 58-Jährigen sollen im Juli 2021 entstanden sein.

In dem Video ist zu sehen, wie ein Sportwagen mit hohem Tempo über die deutsche A2 fährt. Dieses Verhalten sei nicht zu verantworten, sagte die Polizeisprecherin. Passer veröffentlichte die Aufnahmen vor zwei Wochen auf seinem Youtube-Kanal.

Das deutsche Verkehrsministerium äußerte sich kritisch. Jegliches Verhalten im Straßenverkehr, das zu einer Gefährdung von Verkehrsteilnehmern führe oder führen könne, werde abgelehnt, teilte eine Ressortsprecherin mit. Auf dem im Video gezeigten Streckenabschnitt zwischen Berlin und Hannover gilt den Angaben zufolge keine Geschwindigkeitsbegrenzung.

Immobilienmagnat

Passer ist in Tschechien bisher weniger als Freund schneller Autos, sondern als Immobilienmagnat in Erscheinung getreten. Sein Vorzeigeprojekt ist der Büro- und Geschäftskomplex BB Centrum, der zu den größten in Prag zählt. Die tschechische Ausgabe der Wirtschaftszeitung "Forbes" schätzt sein Vermögen auf umgerechnet 270 Millionen Euro.

Nach Einschätzung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer ist eine Fahrt mit mehr als 400 Kilometern pro Stunde höchst gefährlich. "Je höher die Geschwindigkeit ist, desto länger ist der Bremsweg. Und zwar nicht nur linear, sondern exponentiell, sprich bei doppelter Geschwindigkeit wird er mehr als doppelt so lang", sagte der emeritierte Professor der Deutschen Presse-Agentur.

Höchstgeschwindigkeit

"Wollen wir Multimillionären erlauben, auf öffentlichen Straßen ihre Späße zu treiben, die Menschenleben gefährden können?", kritisierte Dudenhöffer. Das Video sollte seiner Meinung nach der Anlass sein, darüber nachzudenken, was eigentlich auf deutschen Autobahnen erlaubt sein sollte und was nicht. Der Verkehrsminister könne etwa per Gesetz nur noch Autos zulassen, die eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit nicht erreichen.

Mehrere deutsche Autobauer wie BMW, Audi und Mercedes-Benz haben sich bereits 1987 auf eine freiwillige Selbstbeschränkung und auf eine Tempoabriegelung bei 250 Kilometern pro Stunde geeinigt. Doch nicht jeder geht diesen Schritt mit. Der in dem Video gezeigte Bugatti Chiron wurde 2016 vorgestellt. Er verfügt nach den Informationen auf den Internetseiten des Herstellers über einen 16-Zylinder-Mittelmotor mit 1.500 PS.

Die Entwicklung des Supersportwagens geht Dudenhöffer zufolge auf die Zeit zurück, als Volkswagen unter dem damaligen Chef Ferdinand Karl Piëch die Luxusmarke erworben hatte. "Ingenieure wollen ja immer zeigen, dass es möglich ist, Grenzleistungsbereiche zu überschreiten. Und das hat er mit dem Chiron gemacht." Im Sommer verkaufte VW die Marke mehrheitlich an den kroatischen Elektrospezialisten Rimac.

Gott und PS

In Tschechien fragen sich nun manche, wie Passers Fahrt mit seinen christlichen Überzeugungen zu vereinbaren ist. Nach dem Tod seines ersten Sohnes im Jahr 1998 wandte sich der Unternehmer nach eigenen Angaben Gott zu. Vier Jahre später gründete er die christliche Organisation Maranatha. Sie ist nach einem aramäischen Gebetsruf benannt, den die Urchristen benutzt haben sollen. Passer will sich zu der Autobahnfahrt einer Sprecherin zufolge nicht äußern.

Für ein Umdenken sprach sich unterdessen die Deutsche Umwelthilfe aus. "Die Bundesregierung erlaubt mit ihrem Nein zum Tempolimit explizit diese Ultra-Raserei auf 70 Prozent der Autobahnstrecken", sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Er forderte den deutschen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) zum Handeln auf. "Wir brauchen ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen jetzt – für Klimaschutz und Sicherheit", sagte Resch. (APA, 24.1.2022)