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Eine Unterbrechung der Gaslieferungen aus Russland ist zwar möglich, aber eher unwahrscheinlich.

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Die Gefahr einer Eskalation des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine ist hoch wie schon lange nicht mehr. Aus früheren Erfahrungen wisse man, dass ein solcher Krieg Preissprünge auf den Rohstoffmärkten nach sich ziehen würde, zumal Russland weite Teile Europas mit Öl sowie Gas versorgt und die Ukraine ein wichtiges Transitland für beides ist.

Insbesondere die Gaspreise, die in Europa ohnehin schon historische Höchststände markiert haben, würden neue Rekordmarken testen, sind sich vom STANDARD befragte Experten einig. Dass Heizung und Herd kalt bleiben, weil Russland den Gashahn zudrehen oder die Ukraine Transitrouten im Kriegsfall sabotieren könnte, glaubt man nicht.

"Vorkehrungen getroffen"

Das sieht auch die Leiterin der Gasabteilung in der Regulierungsbehörde E-Control, Carola Millgramm, so. "In Europa sind aufgrund leidvoller Erfahrungen in der Vergangenheit Vorkehrungen getroffen worden, um mit solchen Ereignissen fertig zu werden", sagt Millgramm. "Wir hatten eine vergleichbare Situation 2009 schon einmal. Der Gasfluss aus Russland war wegen Auseinandersetzungen um den Transitvertrag mit der Ukraine für ein paar Tage unterbrochen. Wir hatten das damals im Griff und würden dies auch jetzt schaffen."

Anders als 2009 sind jetzt aber die Füllstände der Speicher in Europa deutlich niedriger. Zu Wochenbeginn etwa waren alle Speicher zusammen nur zu gut 43 Prozent gefüllt, die Speicher in Österreich wiesen mit 26,01 Prozent überhaupt den niedrigsten Stand aller EU-Länder auf, wobei es auch da zum Teil eklatante Unterschiede gibt.

Die von der OMV Gas Storage GmbH, einer Tochter des heimischen Öl-, Gas- und Chemiekonzerns, betriebenen Speicher sind zu 33,56 Prozent gefüllt. Sie weisen damit den höchsten Füllstand aller Speicher in Österreich auf. Die dem russischen Konzern Gazprom gehörenden Speicher Astora und GSA sind zu 27,83 bzw. 8,72 Prozent gefüllt statt zu 50 Prozent und mehr in "Normaljahren".

Atypische Preissituation

Doch das gerade abgelaufene Jahr war alles andere als normal. Andreas Rinofner, Konzernsprecher der OMV, nennt zwei Gründe, warum weniger Gas in den Speichern ist. Mit dem Einspeichern sei wegen des langen Winters 2021 später als sonst üblich begonnen worden. Der zweite Grund sei die Preissituation. "Eingespeichert wird im Sommer, wenn der Preis üblicherweise niedrig ist. Das Gas kann zu einem späteren Zeitpunkt dann teurer verkauft werden. Das war insbesondere 2021 dramatisch anders. Die Gaspreise sind gestiegen, und es gab wenig Anreiz einzuspeichern."

Der vergleichsweise niedrige Füllstand der Speicher weckt bei Carola Millgramm von der E-Control dennoch keine unangenehmen Gefühle, auch nicht im Zusammenhang mit einer möglichen Störung des Gasflusses aus Russland. "Man darf nicht nur auf die Prozente schauen, sondern muss die absolut eingespeicherten Mengen betrachten", sagt die Gasexpertin.

Speicherkapazitäten sind erweitert worden

Die Speicherkapazitäten seien gegenüber 2009, als sich Russland und die Ukraine ebenfalls in den Haaren lagen, deutlich ausgeweitet worden. Den Uniper Energy Storage, in dem 5,3 Terawattstunden (TWh) Gas eingelagert sind, habe es 2009 noch gar nicht gegeben. Auch andere Speicher seien in der Zwischenzeit erweitert worden.

Zum Vergleich: Derzeit sind in allen österreichischen Speichern zusammen knapp 25 TWh Gas eingelagert. Das entspricht 2,6 Milliarden Kubikmeter oder gut einem Viertel des österreichischen Bedarfs.

Haushaltskunden müssen am wenigsten fürchten, von der Gasversorgung abgetrennt zu werden. Zuerst müssten Industriekunden daran glauben.
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Gehe es hart auf hart, hätten die rund 1,3 Millionen Haushaltskunden in Österreich am wenigsten zu befürchten. Bevor diese kein Gas mehr bekämen, werde Industriekunden das Gas abgedreht, weist Millgramm auf die Rechtslage hin. 2009 seien Großabnehmer gebeten worden, den Gasbezug zu drosseln, was auch befolgt worden sei. Zwangsabschaltungen habe es noch nie gegeben. Außerdem habe Russland seine Lieferverpflichtungen selbst in der schlimmsten Phase des Kalten Krieges immer erfüllt.

Gas für Haushalte könne bei Bedarf im Rahmen des europäischen Solidarpakts auch aus Deutschland angefordert, Fehlmengen könnten über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 bezogen werden, sagt Millgramm. Nord Stream 2 ist, wie berichtet, wegen fehlender Zertifizierung noch immer nicht in Betrieb.

Moskau beruhigt

Zuletzt haben verstärkt Schiffe mit verflüssigtem Erdgas (LNG) aus den USA kommend Kurs auf Europa genommen. Grund sind die etwas schwächere Nachfrage in Asien und die gestiegenen Preise in Europa. Das hatte einen dämpfenden Effekt auf die Spotpreise bei Gas.

Moskau hat am Montag zugesichert, selbst im Fall westlicher Sanktionen weiter Gas zu liefern. (Günther Strobl, 25.1.2022)