Jugendliche Demonstranten gingen in der Hauptstadt Ouagadougou auf die Straße, um den Putsch des Militärs zu unterstützen.

Foto: AFP / Olympia de Maismont

Die Welle der Militärcoups in Westafrika ebbt nicht ab. Nach Mali, Guinea und dem Tschad scheint nun auch das Militär in Burkina Faso die Macht an sich gerissen zu haben. Örtliche Medien und westliche Diplomaten berichteten am Montag, der Präsident des westafrikanischen Staats, Roch Marc Christian Kaboré, sei in der Nacht zum Sonntag von Soldaten gefangen genommen worden. Er werde in der am Rand der Hauptstadt Ouagadougou gelegenen Kaserne Sangoule Lamizana festgehalten.

Was genau hinter dem Umsturz steht, blieb viele Stunden im Dunkeln. Lange hatte sich kein Offizier öffentlich zu dem Coup bekannt. Erst am Montagabend teilte das Militär mit, dass der Präsident entmachtet, die Verfassung ausgesetzt und die Grenzen geschlossen wurden. Unterschrieben wurde die Erklärung von Paul-Henri Sandaogo Damiba, verlesen von einem anderen Militär über das Fernsehen.

Die ganze Nacht über war es um die Residenz des Präsidenten im Stadtteil Patte-d’oie zu heftigen Kämpfen gekommen, bei denen nach Angaben von Augenzeugen auch ein Helikopter eingesetzt wurde. Am Montagmorgen waren vor der Präsidentenvilla zahlreiche beschädigte Fahrzeuge zu sehen. Außer dem Präsidenten sollen auch der Sprecher des Parlaments sowie mehrere Minister inhaftiert worden sein. Die Personen befänden sich laut Militär an einem sicheren Ort.

Es ist dies der achte Militärcoup in dem 1960 von Frankreich unabhängig gewordenen Sahelstaat. Der westafrikanische Staatenbund Ecowas, der kürzlich scharfe Sanktionen gegenüber den Militärmachthabern im Nachbarstaat Mali erlassen hatte, rief die Soldaten zur Rückkehr in die Kasernen auf.

Forderungen verlesen

Die jüngsten Unruhen hatten am frühen Sonntagmorgen in mehreren Kasernen des Landes begonnen. Dort soll es zu Schusswechseln gekommen sein, aus denen die meuternden Soldaten offenbar als Sieger hervorgingen. Vor der Sangoule-Lamizana-Kaserne verlas ein Offizier später am Tag einen Forderungskatalog, der vor allem eine bessere Unterstützung der Soldaten in ihrem Kampf gegen islamistische Extremisten beinhaltete. Verlangt wurden etwa stärkere Waffen, eine bessere Pflege verwundeter Kameraden sowie eine höhere Abfindung für Familien, deren Söhne im Kampf gestorben sind.

Außerdem forderten die Soldaten die Absetzung führender Generäle, denen Ineffizienz vorgeworfen wird. Die Umtriebe der Extremisten haben in den vergangenen sechs Jahren verheerende Ausmaße angenommen: Mehr als 2.000 Menschen wurden getötet, mindestens 1,4 Millionen aus ihrer Heimat vertrieben.

Am Sonntag dementierte die Regierung noch, dass es sich um einen Militärcoup handle: Es sei lediglich zu "einzelnen Zwischenfällen" in "wenigen Kasernen" gekommen, teilte Verteidigungsminister Barthelemy Simpore, selbst ein General, in einer TV-Ansprache mit. Rund hundert Demonstranten stellten sich im Zentrum Ouagadougous hinter die meuternden Soldaten: Sie wurden von der Polizei mit Tränengas vertrieben. Später ging das Hauptquartier der Regierungspartei Mouvement du people pour le progress in Flammen auf.

Wenig überraschend

Kenner Burkina Fasos sind von den jüngsten Ereignissen nicht überrascht. "Es war nur eine Frage der Zeit, bis es dort zu einem Militärcoup kommen würde", sagte der Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung, Ulf Laessing, im Gespräch mit dem STANDARD.

Bereits vor zehn Tagen waren zwölf Personen, darunter ein hochrangiger Offizier, wegen vermeintlicher Coup-Vorbereitung verhaftet worden. Der vor sieben Jahren zum Präsidenten gewählte ehemalige Banker Kaboré erwies sich bei der Auseinandersetzung mit den Extremisten als glücklos. Immer mehr Teile des Landes werden nach den Worten Laessings nicht mehr von der Regierung kontrolliert: "Mittlerweile kann sie nur noch im Zentrum des Landes um die Hauptstadt Ouagadougou für Sicherheit sorgen."

Bei einem besonders verheerenden Angriff der Extremisten auf eine Polizeistation im Norden des Landes waren im November mehr als 50 Beamte getötet worden. Es kam zu landesweiten Protesten, weil bekannt geworden war, dass die Polizisten durch Jagd und Viehdiebstahl für ihre Verpflegung sorgen mussten.

Das Militär sei für den Kampf gegen Extremisten unzureichend ausgestattet, sagt der ehemalige CIA-Analyst Michael Shurkin: Ihre Frustration über die Regierung sei verständlich. "Leider wird das durch den Putsch jedoch nicht besser werden." (Johannes Dieterich, 24.1.2022)