Obwohl bisher noch keine Marsmission auf Spuren von Leben gestoßen ist, gilt unser Nachbarplanet als aussichtsreiches Ziel für die Suche danach. Denn der heute unwirtliche Planet war der Erde vor rund 3,5 Milliarden Jahren gar nicht so unähnlich: Eine dichtere Atmosphäre schützte den Mars vor der lebensfeindlichen UV-Strahlung der Sonne, die Temperaturen waren höher als heute – und es gab Flüsse und Seen auf seiner Oberfläche. Das sollte bekanntlich nicht so bleiben: Die Marsatmosphäre wurde immer dünner, flüssiges Wasser konnte sich nicht auf der Oberfläche halten, die Temperaturen fielen und der Planet verwandelte sich in eine kalte, sterile Wüstenwelt.

Die Pole des Mars (im Bild der Südpol) sind von Eiskappen aus gefrorenem Kohlendioxid und Wassereis bedeckt.
Foto: Esa / DLR / FU Berlin

Sensation und Skepsis

Die großen Fragen der Marsforschung lauten, ob in dem kurzen, aber günstigen Zeitfenster Leben entstanden sein könnte – und ob es Nischen auf dem Planeten gibt, in denen es vielleicht bis heute überdauert. Dementsprechend groß war die Aufregung, als eine Forschungsgruppe 2018 Hinweise auf ein potenziell vielversprechendes Refugium entdeckte: Radardaten der europäischen Sonde Mars-Express deuteten darauf hin, dass es eineinhalb Kilometer unter der mächtigen Eiskappe des Mars-Südpols einen Salzwassersee geben könnte. 2020 legte das Team nach und berichtete nach weiteren Analysen, dass es dort neben einem großen Hauptsee sogar noch drei weitere Gewässer geben könnte.

Zweifel ließen allerdings nicht allzu lange auf sich warten. Fachkollegen äußerten den Verdacht, dass die Radarsignaturen der für reflektierende Wasserschichten gehaltenen Strukturen womöglich nicht nur vom Grund des Poleises stammen, sondern auch aus höheren Schichten kommen könnten. Dort wäre es aber für flüssiges Wasser, auch mit sehr hohem Salzgehalt, viel zu kalt.

Vulkangestein und Minerale

Im Vorjahr legte ein Team um Isaac Smith von der York University in Toronto eine alternative Erklärung vor: Die Radarechos könnten auch von speziellen Tonmineralen kommen, von sogenannten Smektiten. Experimente zeigten, dass die Radarsignaturen dieser Minerale unter eisigen Bedingungen gut zu den Daten passen würden, die als Hinweise auf Wasserreservoirs gegolten hatten. Dass Smektite auf dem Mars vorkommen, ist sicher – ihre Präsenz im und unter dem polaren Eispanzer bleibt aber spekulativ. Ein Team um Cyril Grima von der University of Texas wählte nun einen anderen Weg, um Licht ins verborgene Dunkel des Mars-Südpols zu bringen.

Keine Nahaufnahme aus der Gelateria, sondern ein (durchaus appetitanregender) Blick auf den Südpol unseres Nachbarplaneten.
Foto: ESA/DLR/FU Berlin / Bill Dunford

Anstatt die Eigenschaften bestimmter Gesteine oder Minerale in den Blick zu nehmen, deren Existenz unter dem Marseis nicht nachgewiesen ist, gingen die Forschenden gewissermaßen umgekehrt vor: Sie untersuchten, welche Reflexionseigenschaften andere Regionen des Mars hätten, würden sie unter Eis liegen. Dazu verwandelten die Forschenden gleich den gesamten Roten Planeten in einen Weißen: Sie simulierten einen Mars, der vollständig von einer dicken Eisschicht bedeckt ist, und berechneten, wie sich die Reflexionseigenschaften dadurch veränderten.

Das soeben im Fachblatt "Geophysical Research Letters" veröffentlichte Ergebnis lässt die Hoffnungen auf subglaziale Seen noch weiter schwinden: Über alle Breitengrade verstreut tauchten Signaturen auf, die mit den Radardaten der vermeintlichen Südpolgewässer vergleichbar sind. "Wir müssen erst herausfinden, wovon genau diese Reflexionen stammen", sagt Grima zum STANDARD. "Aber wir wissen, dass es sich um keine offenen Gewässer handelt."

Zeugnisse uralter Flüsse

Mögliche Hinweise auf eine Lösung ergeben sich aus der Verteilung der reflektierenden Flächen: Bei genauerer Untersuchung stellte sich heraus, dass diese allesamt in vulkanischen Ebenen liegen. Auf der Erde können eisenreiche Lavaströme Gestein hinterlassen, das Radar auf ähnliche Weise reflektiert. Aber auch Mineralvorkommen in ausgetrockneten Flussbetten wären denkbar.

Für Isaac Smith, dessen Smektit-Theorie damit weiter im Rennen ist, birgt die Studie von Grima und Kollegen eine wichtige Perspektive: "Das Schöne an dieser Arbeit ist, auch wenn sie gegen die Existenz von flüssigem Wasser unter dem Südpol des Mars spricht: Sie zeigt uns genaue Orte an, an denen wir nach Überresten alter Seen und Flussbetten suchen können." (David Rennert, 24.1.2022)