Im neuen Gastblog beleuchtet die Beziehungsexpertin Natascha Ditha Berger das Erziehungsmodell Co-Parenting.

Ein Paar entscheidet sich, ein Kind zu bekommen. Aus Liebe. Danach will es noch ein zweites. Dann kommt die Trennung. Das zweite Kind ist laut der Scheidungsanwältin Helene Klaar einer der häufigsten Trennungsgründe. Und dann hat man sie: eine Elternbeziehung. Weil ein Kind auch verbindet. Durch die zerbrochene Liebesbeziehung sind häufig auch Liebeskummer, Kränkungen und Versagensgefühle vorhanden, die es zu verarbeiten gilt. Dies macht die Elternschaft meist nicht einfacher.

Braucht Elternsein Romantik?

Unser Liebesbeziehungsleben unterliegt einem gewaltigen Wandel. Als Beziehungsexpertin arbeite ich mit monogamen Paaren, nichtmonogamen Personen und auch Polykülen. Polyküle sind polyamore Liebes- und Lebensgemeinschaften.

Co-Parenting ist meines Erachtens der nächste logische Schritt nach Patchwork- und Regenbogenfamilien. Was es dafür braucht: Verhandlungsfähigkeit. Und zwar nicht diejenige, bei der es ums Gewinnen geht, sondern eine, bei der es um Konsensbildung geht.

Eine Elternbeziehung ist eine Form von Beziehung. Und so, wie viele Menschen Sex und Liebe trennen können, können wir auch eine romantische Liebesbeziehung von einer Elternbeziehung trennen. Im Normalfall passiert uns das eher ungewollt. Ein geplatztes Kondom oder ein nicht ganz so rationaler ungeschützter One-Night-Stand. Und dann: schwanger. Diese Geschichten kennen die meisten.

Dann gibt es aber noch eine Variation: Eine Person hätte gerne ein Kind. Allerdings ist keine geeignete Partnerschaft vorhanden. Co-Parenting kann eine Lösung sein. Dabei entscheidet man sich, gemeinsam eine Elternbeziehung einzugehen und keine romantische Liebesbeziehung. Also ein bisschen so wie ein Scheidungskind, nur ohne Scheidung. Eine geplante Elternschaft außerhalb einer Liebesbeziehung ist noch neu in unserer Gesellschaft und Denkweise. "Familyship" ist zum Beispiel eine Plattform, die es sich zum Ziel gesetzt hat, an Co-Parenting interessierte Menschen zu vernetzen.

Ein Kind braucht Liebe, Verbindlichkeit und Wohlwollen

Was braucht es für eine gute Elternschaft? Allem voran Liebe, Verbindlichkeit und Wohlwollen dem Kind gegenüber. Wie muss mein Gegenüber sein, damit ich das Gefühl habe: Ja, mit diesem Menschen kann ich mir vorstellen, ein Kind großzuziehen? In aktuellen Zeiten wäre zum Beispiel Konsens in Impfangelegenheiten schon ein guter Ansatzpunkt. Ähnliche politische Ansichten sind sicher auch von Vorteil. Fragen Sie Ihren Hausverstand, der kann Ihnen Antworten geben, was für Sie wichtig ist.

Meine jahrelange Erfahrung in der Begleitung von Beziehungskonstrukten kommt immer wieder zu dem Punkt: Kinder brauchen eine sichere Bindung, um sich gut entwickeln zu können. Wer diese Bezugspersonen sind, ist nicht so relevant wie die Qualität der Bindung.

Auch kann eine nicht leiblich verwandte Bezugsperson eine qualitativ hochwertige Beziehung zu einem Kind aufbauen. Somit braucht es auch keine aufrechte Liebesbeziehung der Eltern, um ein Kind gut aufziehen zu können. Ein liebevoller Umgang miteinander ist natürlich hilfreich.

Gute Elternschaft braucht Liebe und Verbindlichkeit gegenüber dem Kind und nicht notwendigerweise eine Liebesbeziehung zwischen den Eltern.
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Wie bereite ich mich auf Co-Parenting vor?

Co-Parenting hat noch weniger Vorbilder als zum Beispiel die Polyamorie – allerdings nur was das bewusste Zeugen eines Babys betrifft. Elternschaft außerhalb von bestehenden Liebesbeziehungen kennen wir alle. Hier ein paar Situationen, in denen Co-Parenting eine Variante darstellt:

  • Ein lesbisches Paar möchte keine Samenspende, sondern auch eine Vaterfigur für den Nachwuchs.
  • Ein homosexuelles Paar möchte Nachwuchs.
  • Eine Person, die sich langsam in einem Alter sieht, in dem es knapp werden könnte, eine "geeignete" Partnerschaft zu finden, möchte Nachwuchs.
  • Eine Person will sich nicht in einer klassischen Liebesbeziehung an eine andere Person binden, sich aber dennoch verbindlich um Nachwuchs kümmern.
  • Eine Person befindet sich in einer Partnerschaft, und die Partnerin oder der Partner möchte keine Kinder (mehr).

Gute Vorbereitung ist die halbe Miete. Und Flexibilität ist dann der Rest. Es ist wichtig, in der Planungsphase miteinander zu reden, die Bedingungen auszuverhandeln. Dabei helfen folgende Fragestellungen: Was ist das Ziel? Was brauche ich? Was will ich? Was hätte ich gerne? Was geht gar nicht? Sie müssen für den Zeugungsakt auch keinen Geschlechtsverkehr haben. Becher-Spritze ist eine gängige Methode, medizinisch unterstützte Insemination oder auch In-vitro-Fertilisation sind weitere.

Der rechtliche Aspekt ist natürlich auch zu bedenken. Dazu sollte man sich am besten an juristisches Fachpersonal wenden. Obsorge, Alimente und Wohnsituation sind jedenfalls wesentliche Fragen.

In vielen Partnerschaften wird wegen des Geldes gestritten – oft auch weil es im Vorfeld nicht besprochen wurde. Mit dem Co-Parent kann im Vorfeld viel weniger emotional verhandelt werden, was jemand braucht. Das gemeinsame Ziel ist ja, ein Kind großzuziehen. Wer wie viel für das Kind sorgen möchte, kann vorab besprochen werden. Natürlich gibt es dann den Zeitpunkt, an dem das Kind auch eine Meinung hat. Und vieles ist einfach nicht planbar.

Ihre Meinung?

Was ist Ihre Meinung? Lassen Sie es mich im Forum wissen! Wenn spezielle Fragestellungen sich wiederholen, werde ich vielleicht einen eigenen Artikel dazu verfassen. (Natascha Ditha Berger, 28.1.2022)