"Jeremies" nach einem Detail aus einem Gemälde Rembrandts.

Foto: Mick Vincenz

Ein Werk aus der Serie "Otto": freundlich, heiter, bunt.

Foto: Mick Vincenz

Wien – Achtung! Ungezieferwarnung! Ein riesiger Holzwurm hat sich im Keller der Albertina breitgemacht! Nein, das ist natürlich Blödsinn, doch als hätte sich ein gigantischer Nagekäfer durch Holzblöcke gefressen und hätte man diese anschließend genau im Kanal entzweigeschnitten, sehen die Arbeiten von Martin Noël aus. Keine Sorge, wenn Ihnen der Name nichts sagt. Selbst Direktor Klaus Albrecht Schröder hat erst vor kurzer Zeit von diesem 1956 geborenen und 2010 verstorbenen deutschen Grafiker erfahren, wie er zur Eröffnung zugab.

Vollmundig heißt die Schau dennoch Die Retrospektive, ganz so als hätten viele sehnlich darauf gewartet. Zu sehen sind nur wenige klassische Drucke – die nach Druckstöcken entstanden, die der Künstler 1991 entwarf, um sie in die Schalung für die Mauern eines Fußballstadions einzusetzen. Dort sind die breiten Schlingen als Relief verewigt, in Wien erinnern sie auf Papier mit etwas Fantasie an Höhlenzeichnungen. Für seine New York Drawing Objects pauste Noël Risse im Boden vor dem World Trade Center ab, die bei einem Anschlag 1993 entstanden waren, schnitt sie in Linoleum, füllte die Hohlräume weiß.

Heiter, hübsch

Druckgrafik hieß bei Noël nicht, dass man drucken muss. Dafür stehen auch Holzplatten, in deren farbige Oberflächen Noël seine Liniengeflechte geschnitzt hat. Die Kunstgeschichte inspirierte ihn ebenso: Jeremies soll eine Knopfleiste aus einem Rembrandt-Gemälde dekontextualisieren. Die ab 2001 entstandenen Ottos dagegen zeigen heiter bunte, wackelige Flächen. Für Schröder hat Noël den Holzschnitt ins 21. Jahrhundert gerettet. Hübsch sind einige Arbeiten, man geht aber eher vorbei, statt innezuhalten. Grafik darf gerne mehr können. (wurm, 25.1.2022)