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Es geht um die Wurst. Karl Schirnhofer wirft Rewe "erpresserische Methoden" vor. Der Konzern weist dies aufs Schärfste zurück und bietet 500 Almo-Bauern an, direkt zu liefern.

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Wien – "Ich bin tief bestürzt und muss Ihnen offen und ehrlich kundtun, dass ich vor Ihnen Angst habe", schrieb Karl Schirnhofer Ende Jänner an den Handelskonzern Rewe. "Diese Vorgehensweise hat psychologischen Schaden bei mir angerichtet." Man habe nicht nur ihn hinters Licht geführt, sondern auch all seine Almo-Bauern, die in eine Kooperation größte Hoffnung gelegt hätten. Unter diesen Bedingungen könne er nicht weitermachen.

Mit diesem Brief zieht Schirnhofer den Schlussstrich unter die langjährige Partnerschaft mit der Rewe und ihren Vertriebslinien Billa und Billa Plus. Der steirische Fleischverarbeiter wirft der Supermarktkette, wie im STANDARD berichtet, "erpresserische Methoden" vor. Rewe setze ihn bei Preisen unter Druck und versuche, ihm einen Teil seines Ochsengeschäfts wegzunehmen.

Schirnhofer will und wird diesem Schreiben nichts mehr hinzufügen, betont er auf Nachfrage. Nur so viel: "Ich will eine mündliche Entschuldigung." Er werde kein Schiedsgericht mit der Angelegenheit betrauen, sondern sie persönlich ausfechten. Und er sei zuversichtlich, dass es zu einer Einigung komme.

Ombudsstelle

Der Konflikt zwischen Schirnhofer und Rewe wirft ein Schlaglicht in Hinterzimmer, die abseits der Branche kaum einer betritt. Preise werden hier vielerorts mit der Brechstangen verhandelt, erzählen Lieferanten. Viele fühlen sich gegeneinander ausgespielt.

Die EU versucht seit Jahren, der Willkür im Umgang großer Konzerne mit kleinen Herstellern stärker Einhalt zu gebieten. Österreich setzte die Vorgaben verspätet um. Ab März soll eine Ombudsstelle Missbrauch entlang der Wertschöpfungskette auf die Spur kommen. Ein Fall für die Justiz werden Gängelungen durch marktbeherrschende Konzerne freilich selten. Zu groß ist die Angst vieler Unternehmer, damit ihre Marktchancen auf Dauer zu verspielen.

Rewe schießt im Fall von Schirnhofer scharf zurück. Sein Vorwurf der Erpressung sei in keinster Weise nachvollziehbar, stellt Unternehmenssprecher Paul Pöttschacher erneut klar. Im Gegenteil, Rewe habe die Fleischpreise sogar erhöht.

Ein Fall für die Justiz?

Wesentlicher Auslöser des hitzigen Disputs, der Rewe dazu veranlasst, rechtliche Schritte gegen den Unternehmer setzen zu wollen, sind jedoch nicht die aktuellen Erzeugerpreise. Rewe hat vielmehr in ein eigenes großes Werk für Fleischzerlegung investiert und ist bemüht, die Kapazitäten besser auszulasten.

Dafür bietet sie 500 Landwirten, die unter der Marke Almo Ochsenfleisch über Schirnhofer vertreiben, an, direkt an ihren Konzern zu liefern. "Wenn die Bauern das wollen, dann sichern wir ihnen Abnahme für den österreichischen Markt zu", bestätigt Pöttschacher.

Schirnhofer, der einst im Sog der Zielpunkt-Pleite Insolvenz anmelden musste, würde damit ein Fünftel seiner Verarbeitung verlieren.

Lieferanten, die den Kampf mit Argusaugen verfolgen, warnen vor einem Bauernopfer. Rewe werde die Almo-Landwirte umwerben, so ihr Tenor. Langfristig sei die Verhandlungsmacht kleiner Produzenten aber enden wollend. Das gehöre bedacht, ehe Partner wie Schirnhofer, "die sich vor Rewe nicht verbiegen", von den Bauern zugunsten eines Platzhirschs am Markt fallengelassen würden. "Die entscheidende Frage ist: Halten sie zu ihm?"

Zweifel an Liebe zur Regionalität

Supermärkte predigen Regionalität, empört sich ein anderer Lebensmittelhersteller, der nicht genannt werden will. Tatsächlich aber kickten diese mittelständische Lieferanten mit eigenen Produktionen aus dem Markt. "Als ob Österreich weitere Fleischfabriken brauchen würde." Direkte Zusammenarbeit sei zumeist einer exklusiven Truppe an kleinen Betrieben vorbehalten, die – sollte es hart auf hart gehen – austauschbar seien. Preise verhandelt werde allein mit Blick auf den Wettbewerb. "Nachhaltig ist das nicht."

"Der Fall Schirnhofer versus Billa ist in seiner Ausprägung erschreckend, aber nicht überraschend", sagt Sebastian Bohrn Mena, Sprecher der Bürgerinitiative Oekoreich. Solange wenige milliardenschwere Konzerne bestimmten, was zu welchem Preis ins Regal komme, hätten heimische Produzenten das Nachsehen. Es sei höchste Zeit, das System zu hinterfragen.

Dass Lieferanten angesichts der wachsenden Produktionskapazitäten des Handels das Nachsehen haben, lässt Spar nicht gelten. Der Konzern betreibe seine Tann-Fleischwerke bereits seit den 1960er- Jahren. Mittlerweile seien es in Österreich sechs an der Zahl. Spar verarbeite hier ausschließlich österreichisches Fleisch, betont Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. "Wir haben unzähligen Bauern einen sicheren Absatzmarkt gegeben. Das wird auch so bleiben."

Rewe zog Ende 2019 mit einer eigenen Fleischfabrik in Oberösterreich nach. Der Fleischwarenmarkt selbst wird von wenigen großen Spielern dominiert.

"Kein Einzelfall"

Reagiert hat mittlerweile auch VP-Landwirtschaftministerin Elisabeth Köstinger. Leider seien die Darstellungen von Karl Schirnhofer kein Einzelfall, sondern der traurige Alltag, wie Handelskonzerne Bauern tagtäglich unter Druck setzten und so über 500 Landwirte zwischen die Fronten bei Preiskriegen gerieten, lässt sie wissen. "Erpresserische Methoden auf dem Rücken der Bauern und Verarbeiter – das hat mit der schönen Werbeidylle des Handels nichts zu tun."

Die Zeit der Lippenbekenntnisse sei vorbei, sagt Köstinger. Wenn der Handel nicht der Totengräber der Bauern sein wolle, müssten die Konzerne umdenken und das tun, was sie Konsumenten vorspielen: Die heimische Landwirtschaft und Bauern unterstützen, statt diese auszulisten, wenn sie sich wehrten. (Verena Kainrath, 26.1.2022)