Über Meilensteine der Unterwasserarchäologie schreibt der Archäologe Cyril Dworsky in seinem Gastblog.

Seit mehr als 150 Jahren kennt man die unzugänglichen urgeschichtlichen Dorfruinen, die unter der Wasseroberfläche von Seen oder in Mooren rund um die Alpen liegen – die Pfahlbauten. Diese archäologischen Fundstellen aus der Steinzeit, Bronzezeit und auch noch aus der Eisenzeit haben schon mehrere Tausend Jahre auf dem Buckel und ermöglichen seit ihrer Entdeckung im 19. Jahrhundert ein differenzierteres Bild der Urgeschichte, als wir es von den meisten anderen Grabungen am trockenen Land kennen. Seit zehn Jahren bilden sie ein gemeinsames Unesco-Welterbe, die Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen. Auch Österreich ist mit fünf Fundstätten in den Seen Oberösterreichs und Kärntens daran beteiligt.

Pioniere der Unterwasserforschung

Das Forschen unter Wasser war schon immer eine große Herausforderung. Weit mehr als die Hälfte der Zeit, die seit der Entdeckung der Pfahlbauten 1854 verstrichen ist, konnten diese Stätten nur bei außergewöhnlichem Niedrigwasser oder vom Boot aus erkundet werden. Erst die Entwicklung von sicheren, autonomen Tauchgeräten, die eine freie Bewegung unter Wasser ermöglichten, erschloss der Archäologie endgültig diese versteckte Welt. Die früher genutzten schweren Helmtauchgeräte erlaubten bestenfalls ein Absammeln des Gewässerbodens, um Objekte zu bergen. Jedoch wurde dabei ein Großteil der archäologischen Informationen links liegen gelassen, denn ein Blick auf Details und die Schichten im Boden sowie ein Verständnis der Fundzusammenhänge waren so nicht möglich.

Das moderne Presslufttauchen wurde vor allem in den 50er- und 60er-Jahren durch Persönlichkeiten wie den Franzosen Jacques-Yves Cousteau und die österreichischen Pioniere Lotte und Hans Hass geprägt und populär. Besonders die noch nie gesehenen Foto- und Filmaufnahmen der Unterwasserfauna und -flora brachten die Menschen in Scharen in die Lichtspieltheater und die Forscherinnen und Forscher auf die Titelseiten der Illustrierten. Obwohl mehr am Leben unter Wasser als an der Archäologie interessiert, brachten Cousteau wie auch das Forschungsehepaar Hass natürlich auch Bilder von Schiffswracks mit an die Oberfläche. Das eröffnete neue Perspektiven und auch neue Forschungsansätze für die heimischen Pfahlbauten.

Licht und Wasser als Leidenschaft

Die Bilder der Welt unter Wasser wären nicht ohne die Entwicklung von druckfesten und wasserdichten Kameras möglich gewesen, und auch auf diesem Gebiet gibt es einen beeindruckenden Pionier aus Österreich. Denn die Fotografie unter Wasser ist untrennbar mit einem Menschen verbunden, der in gewissem Sinne auch eine Spange zwischen der "alten" und der "neuen" Pfahlbauforschung darstellt. Stiller und abseits des Scheinwerferlichtes entwickelte der in Wien geborene Ingenieur Kurt Schaefer seit 1943 Unterwasserkameras für Foto und Film. Auch erste wasserfeste Blitzanlagen und Scheinwerfer sollten von ihm erfunden werden.

Schaefer hätte dieses Jahr seinen hundertsten Geburtstag gefeiert. Glücklicherweise sind vor kurzem durch einen günstigen Zufall Teile seiner Korrespondenz, seine Unterlagen zu den Pfahlbauforschungen und seine Funde aus den 50er-Jahren bei uns im Kuratorium Pfahlbauten gelandet. Ein guter Grund, den von seinem Streben nach technischen Errungenschaften getriebenen Schaefer vor den Vorhang zu holen.

Kurt Schaefer vor seiner Sammlung von Pfahlbaufunden aus dem Attersee und dem Mondsee.
Foto: Kurt Schaefer

Schaefers Vater hatte den Sohn schon früh mit der Liebe zur Fotografie und dem Interesse an der Unterwasserwelt angesteckt. Das erfolgreiche Buch von Hans Hass "Unter Korallen und Haien" und dessen Vorträge in der Wiener Urania weckten dann endgültig im jungen Schaefer den Wunsch, in die Unterwasserfotografie einzusteigen. Es gelang ihm dann auch noch während des Zweiten Weltkriegs, Bekanntschaft mit Hass zu machen, und auch dieser erkannte die Qualität von Schaefers Konstruktionen. Hass gibt einige Arbeiten für seine Kameras bei Schaefer in Auftrag, und so werden es seine handgefertigten Gehäuse sein, die Hass für den Film "Abenteuer im Roten Meer" verwendet und die auch Lotte Hass berühmt machen sollten. Schaefer erhoffte sich eine Teilnahme als Kameramann an der Expedition ins Rote Meer, wurde aber enttäuscht, und die Wege von Hass und Schaefer trennten sich wieder.

Vom Bastelonkel zum Experten

Die Grundlagen von Schaefers Werdegang und für sein Verständnis von Technik wurden schon früh gelegt. Er selbst berichtete, dass er bereits als Kind durch das Spielen mit Matador-Baukästen und eine Sendung des Österreichischen Rundfunks geprägt wurde, die des Ingenieurs Oskar Grissemann, wo es Bastelanleitungen und Wettbewerbe gab, an denen Schaefer erfolgreich teilnahm. Von Grissemann erlernte er seinen Blick auf Material und die Fähigkeit zur Improvisation. Er entwickelt sich zu einem Meister des Recyclings, und auch das erste Gehäuse einer Unterwasserkamera entstand aus eingeschmolzenen Aluminiumresten von Flugzeugwracks des Zweiten Weltkriegs.

Schaefers Vater wiederum gab nach dem Krieg den Anstoß, zu den Pfahlbauten zu tauchen und die ersten Fotos und Filme der österreichischen Fundstellen anzufertigen. Schaefer lebte mit seiner Familie nach dem Krieg für einige Zeit in Gmunden am Traunsee und lernte dort auch die Schiffsbaukunst. Eine Fertigkeit, die er später in seiner Dissertation zum historischen Holzschiffsbau an der Donau gut brauchen konnte. In den Salzkammergutseen konnte er auch seine Kameras ausgiebig testen und weiterentwickeln.

Foto: Kurt Schaefer
Schaefers Kameras waren ohne weiteres Gehäuse wasserdicht – hier seine Kleinbildkamera, die bei der Pfahlbauforschung zum Einsatz kam.
Foto: Kurt Schaefer

Pfahlbauforschung erstmals unter Wasser

Schon bald, in den Jahren zwischen 1949 und 1951, konnten dann Schaefer und seine Schwester Editha mit ihrer Expertise für Fotografie bei den ersten Unterwasserforschungen des Naturhistorischen Museums Wien und des Bundesdenkmalamtes an den Pfahlbausiedlungen von Oberösterreich und Kärnten teilnehmen. Bis dahin gab es lange keine großen Entwicklungen auf diesem Gebiet, denn seit der Entdeckung der ersten österreichischen Pfahlbausiedlung im Keutschacher See in Kärnten durch Ferdinand Hochstetter im Jahr 1864 wurden die Untersuchungen vom Boot aus mit Stangen, Zangen und Baggerschaufeln unternommen. Nun versuchte man auch einen direkten Blick unter Wasser zu erhaschen.

Editha Schaefer auf dem Attersee mit Unterwasserkamera und einer von Kurt Schaefer gebauten Monoflosse.
Foto: Kurt Schaefer

Unter der Leitung von Karl Krenn, dem damaligen Leiter der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums, und dem schon länger mit den Pfahlbauten beschäftigten Kurt Willvonseder wurden zahlreiche Fundplätze im Attersee und im Mondsee betaucht und in Film und Foto dokumentiert. Dabei wurden auch die ersten Unterwasserbilder der Unesco-Welterbestätte Keutschacher See aufgenommen und mit dem Film "Spuren der Vorzeit" ein wichtiges Dokument der österreichischen Pfahlbauforschung erzeugt.

In dem Film zeigt Schaefer, wie einige der damals bekannten Siedlungen mit seinem selbstgebauten Segelschiff Cernobbio angesteuert werden und Editha Schaefer Funde wie Keramikfragmente, Steinwerkzeuge, Knochen und auch Holzproben von der Seeoberfläche birgt. Es sind nur kurze Sequenzen, die Schaefers waren ja ohne Tauchgerät nur schnorchelnd unterwegs, aber man sieht deutlich, dass viele Objekte der Mondseekultur offen am Seeboden zwischen den herausragenden Pfählen der ehemaligen Häuser liegen.

Foto: Kurt Schaefer
Die ersten Farbaufnahmen der Pfahlbausiedlungen aus dem Attersee und dem Mondsee stammen aus Schaefers Film "Spuren der Vorzeit".
Foto: Kurt Schaefer

Eine Insel im See

In Badekleidung und mit viel Aufwand wurde ein Vermessungssystem eingerichtet und von Moßlers Team ein Plan der Unterwasserfundstelle angefertigt. Es gelang auch, eine Menge von Pfählen einzumessen und Proben zu nehmen. Aufgrund der eingeschränkten Zeit und Tiefe beim Schnorcheln konnte damals jedoch nur der zentrale Bereich genau aufgenommen werden.

Eines der ersten Fotos der Unesco-Welterbestätte Keutschacher See aus dem Jahr 1951.
Foto: Kurt Schaefer

Leider sind keine weiteren Filme Schaefers zu den Pfahlbauten erhalten. Er selbst wandte sich anderen Themen zu und beteiligte sich 1952 an einer meeresbiologischen Expedition von Rupert Riedel, einem weiteren Unterwasserforschungspionier aus Österreich. Gemeinsam produzierten sie dabei den Unterwasserfarbfilm "Lichter unter Wasser", in dem Höhlen an der Küste des Tyrrhenischen Meeres betaucht werden.

Schaefer war ein technischer Alleskönner und Autodidakt. Sein Werk ist unverdient nur einem eingeweihten Kreis von Menschen bekannt, die sich mit der Geschichte des Tauchens, der Donauschifffahrt und der Unterwasserfotografie beschäftigen. Sein kreativer Zugang zur Technik zeigte sich immer wieder in innovativen Entwicklungen. Beispielsweise arbeitete er schon in den 50er-Jahren an ersten 360-Grad-Unterwasserkameras oder beteiligte sich an der fotografischen Schadensanalyse von Staumauern unter Wasser. Schaefer war ein wahrer Forschergeist mit rastloser Natur, der noch bis kurz vor seinem Tod in seiner Werkstatt stand und an seinen Kameras und anderen technischen Geräten arbeitete.

Schaefer war ein Wegbereiter auf vielen Ebenen, der permanent nach Lösungen suchte. Ich hatte das Glück, Schaefer noch zu seinen Lebzeiten zu treffen und von ihm viele der hier nur angerissenen Geschichten aus seinem Leben persönlich zu erfahren. Wie so oft wurde Schaefer bislang eher im Ausland für sein Werk geehrt, dabei nimmt er eine prominente Rolle in der österreichischen Forschung unter Wasser ein und gewährt uns mit seinen Filmen einen eindrucksvollen Blick auf die Pfahlbauforschung vor 70 Jahren. (Cyril Dworsky, 27.1.2022)