Mit Charakteren wie "Bobo-Lorenz" oder "Rassismus-Renate" trifft Irina einen Nerv auf Social Media. Pointiert macht sie sich dort über Balkan- und Österreich-Stereotype lustig.
Foto: Muhassad Al-Ani

Sie kam aus einer toxischen Beziehung, liebt Pommes und begann, kurze Videos zu drehen. Als Toxische Pommes parodiert Irina (ihren vollen Namen möchte sie nicht nennen) seit Mitte 2020 klischeehafte Gesellschaftsrollen. Auf Tiktok hat die Juristin mittlerweile über 60.000 Follower, auf Instagram sind es noch mehr. Provokant, sarkastisch und trotzdem respektvoll macht sie sich über verschiedene gesellschaftliche Phänomene lustig und kritisiert die österreichische Gesellschaft auch mal dort, wo sie Rassismus, Sexismus oder Klassismus in ihren Alltag einbaut. Zur Videoversion dieses StandART-Gesprächs.

STANDARD: Machen Sie politisch korrekte Satire?

Toxische Pommes: Das war nie eine bewusste Entscheidung. Die Zuschreibung kam eher von außen. Eigentlich finde ich es komisch, dass ich danach gefragt werde. Ich finde, man sollte eher Menschen fragen, die rassistische, sexistische oder antisemitische Witze machen: Wieso tut ihr das?

STANDARD: In Ihrer Rubrik "Österreicher:innen versus Ausländer:innen" spielen Sie mit Vorurteilen und stellen Österreich- und Balkan-Stereotype gegenüber. Zum Beispiel zwei Mütter: die überfürsorgliche Theresa und die chaotische Sladjana. Wiederholen Sie so nicht schon bestehende Rollenklischees?

Toxische Pommes: Ich verwende gerne Klischees, weil sie ein gutes Stilmittel sind, um Messages rüberzubringen: Sie sind einfach, man kann sie überzeichnen. Es kommt aber darauf an, wer ein Klischee macht, mit welcher Absicht und in welchem Kontext. Klischees werden leider oft dafür verwendet, problematische Vorurteile zu transportieren und zum Beispiel eine rassistische Haltung zu verdecken. Wenn sich ein Cis-Hetero-Mann auf die Bühne stellt und den hundertsten Witz darüber macht, dass Frauen dieses oder jenes nicht können, verbirgt sich dahinter oft eine frauenverachtende Haltung. Da wird der Witz verwendet, um Misogynie zu verdecken.

STANDARD: Was machen Sie anders?

Toxische Pommes: Ich mache in erster Linie Klischeewitze über Gruppen, denen ich angehöre. Über meine Balkanfamilie zum Beispiel. Das ist für mich persönlich manchmal ein Ventil. Ich bin mit zwei Kulturen aufgewachsen, hatte und habe immer wieder Identitätskonflikte, und darüber kann man auch mal lachen. In der Schule war ich oft "das Ausländerkind" und für meine Familie in Montenegro "die Österreicherin". Ich mache auch Witze über Österreich, weil ich hier aufgewachsen bin und mich von klein auf mit Kultur- und Mentalitätsunterschieden beschäftigt habe. Dabei habe ich aber schnell gemerkt: Österreicher:innen dürfen über Ausländer:innen Witze machen, aber umgekehrt funktioniert es nicht. Da heißt es dann schnell: "Schleich dich zurück nach Hause, wenn es dir hier nicht gefällt."

STANDARD: Ihre Eltern sind aus dem ehemaligen Jugoslawien ausgewandert, als Sie ein Kind waren, Sie sind in Österreich aufgewachsen. Wenn Sie Österreich-Klischees aufgreifen, wurde Ihnen in Kommentaren schon Rassismus vorgeworfen. Fühlen sich Menschen so angegriffen, weil es zum Teil stimmt?

Toxische Pommes: Diese Kommentare sind zum Glück weniger geworden. Nur weil man einen Witz über einen Österreicher oder eine Österreicherin macht, ist das noch lange nicht rassistisch. Wo erleben weiße autochthone Österreicher:innen strukturelle, rassistische Diskriminierung in Österreich? Das heißt aber natürlich nicht, dass sie keine andere Art von Diskriminierung erleben können.

STANDARD: Welche Gefahren birgt Humor?

Toxische Pommes: Witze sind sehr oft gefährlich, weil sie Rückwirkungen auf die Realität haben und diese auch legitimieren können. Diskriminierungserfahrungen können auf einer Humorebene reproduziert und normalisiert werden.

STANDARD: Sie verwenden auch das Wort "Jugo" oft. Dürfen Sie das?

Toxische Pommes: Ich bezeichne mich selbst als Ex-Jugo. Meine Familie kommt aus unterschiedlichen Ländern des Balkans. Ich habe einen Identitätskonflikt in einem Identitätskonflikt. Aber ich verstehe, wenn sich Menschen aus beispielsweise Kroatien oder Serbien nicht so bezeichnen möchten.

STANDARD: Da befinden wir uns inmitten einer aktuellen Debatte: Wer darf über wen sprechen. Worüber dürfen Sie sich lustig machen?

Toxische Pommes: Meine persönliche grobe Faustregel ist, dass ich über die Gruppen spreche, denen ich angehöre. Jeder darf über jeden sprechen, es kommt natürlich darauf an, wie und mit welcher Absicht. Außerdem muss man halt mit Kritik rechnen von den Menschen, über die man spricht, und sich dessen bewusst sein, dass die eigenen Worte auch Konsequenzen haben – und das ist gut so. Das ist auch mein Problem mit dem Begriff "Cancel-Culture". Ich finde, dass "canceln" häufig mit "kritisieren" gleichgesetzt wird. Damit wird der Begriff zum Tool, um Kritik mundtot zu machen. Denn oft kommt als Reaktion auf Kritik die trotzige Antwort: "Man darf ja gar nichts mehr sagen."

STANDARD: Manchmal greifen Sie problematische Kommentare auf und beziehen dazu Stellung: Eine Reaktion auf Ihre geschlechterneutrale Sprache lautete, das sei "Vergewaltigung der deutschen Sprache". Wie reagieren Sie darauf?

Toxische Pommes: Ich finde es sehr komisch, wenn Leute sagen, dass man durch Gendern die Gesellschaft spaltet. Die Gesellschaft ist an vielen Stellen ja schon gespalten. Gendern versucht, den Spalt zu schließen. Lustig ist es auch, wenn manche meinen, es geht ja nur um Wörter. Das sind aber genau diejenigen, die sich dann darüber aufregen. Sprache schafft Realität. Natürlich gibt es beim Gendern auch Probleme, und manches funktioniert nicht immer richtig. Aber ich finde es wichtig, dass die Debatte rund um inklusive Sprache eröffnet worden ist.

STANDARD: Immer wieder machen Sie sich über Klischee-Aussagen lustig wie "Ich hab ja nichts gegen Ausländer, aber …" oder "Warum wanderst du nicht aus, wenn es dir hier nicht passt?" Glauben Sie, die wird es in einer "woken" Zukunftsgesellschaft immer noch geben?

Toxische Pommes: Ich kann nur sagen, dass genau solche Aussagen immer wieder auf Tiktok kommentiert werden. Also anscheinend gibt es solche Meinungen auch in einem eher jungen Publikum. In einer Gesellschaft geht es ja auch nicht immer nur vorwärts, manchmal auch zurück. Wir bewegen uns schon in eine gute Richtung, aber so muss es nicht bleiben. Schön wär's! (Katharina Rustler, 28.1.2022)