Der Staat bekam Millionen von FFP2-Masken, die nicht seinen Vorgaben entsprachen.

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Die Causa FFP2-Masken sorgt weiterhin für Aufsehen. Nach Bekanntwerden der Vermutung der italienischen Ermittler, dass Manager der Bozener Oberalp mit den Führungskräften des Österreichischen Roten Kreuz (ÖRK) "sehr enge Beziehungen" unterhielten, meldete sich am Mittwochvormittag der Vertreter der Eigentümerfamilie und Oberalp-Präsident Heiner Oberrauch zu Wort.

In einer Aussendung betonte er, dass er die Verantwortlichen des ÖRK nicht kenne und nie mit ihnen telefoniert oder gesprochen habe. Auch der Bozener Oberalp-Chef habe die ÖRK-Spitze nicht gekannt, bis sie ihn kontaktiert hätte. Und er wiederholte, dass Oberalp die Corona-Schutzausrüstung nicht aus China importiert, sondern "in einer Notsituation nur dringend benötigte Warenlieferungen vermittelt" habe. Die Qualitätskontrolle sei dem Roten Kreuz oblegen. Im Übrigen kommentiere man die laufenden Ermittlungen nicht mehr.

In Österreich ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), sie geht dem Verdacht des schweren Betrugs nach. Im Frühling 2020 hatte die Republik die Einkaufstochter des Roten Kreuz mit der Beschaffung von Masken betraut. Die wendete sich an die Südtiroler, um Ware aus China zu beschaffen. Diese Masken waren jedoch mangelhaft, laut Finanzprokuratur hat die Republik 15 Millionen Euro für Masken an Oberalp bezahlt, 11,7 Millionen Stück seien schadhaft gewesen.

Die italienischen Ermittler haben Telefonate eines Oberalp-Managers abgehört und Chats ausgewertet. Die Ermittlungsergebnisse legen nahe, dass das Problem diskret behandelt werden und gemeinsam gelöst werden sollte. Ende Mai 2020 teilte der Rot-Kreuz-Mann dem Zuständigen von Oberalp mit, es sei – so das Material nicht verwendet werden könne – wichtig, dass die Sache nicht an die Öffentlichkeit gelange. Dass die Masken, anders als vereinbart, nicht für den medizinischen Gebrauch geeignet waren, sei für Abnehmer außerhalb dieses Bereichs egal. Die Masken anderweitig zu verkaufen sei eine Lösung, bei der niemand sein Gesicht verliere, waren sich die beiden einig.

Klagsdrohung gegen Ministerium

Der Rotkreuz-Mitarbeiter selbst habe dem Wirtschaftsministerium (das den Vertrag mit dem Roten Kreuz abgeschlossen hat, Anm.) im informellen Gespräch auch klargemacht, dass ein Wegfall des Deals für Oberalp ein wirtschaftliches Problem bedeuten würde, was dieser auch so sah.

Nach einem Termin des Rotkreuz-Mitarbeiters im Wirtschaftsministerium schlug er beim Oberalp-Manager Alarm: Das Ministerium trage sich mit dem Gedanken, aus dem Vertrag auszusteigen. Er dürfte dort aber laut Ermittlungsergebnissen klar gemacht haben, dass Oberalp dann klagen werde. Das sei aber nicht wünschenswert.

Laut italienischen Ermittlungen soll er dem Südtiroler den Tipp gegeben haben, im Klagsfall ein österreichisches Gericht zu involvieren, sinngemäß, weil das öffentlichkeitswirksamer wäre. Es gehe bei alldem aber ohnehin mehr um die Drohung, weil Politiker auf negative Schlagzeilen allergisch sind. Der Österreicher dürfte damals dem Ministerium geraten haben, auch nach anderen Abnehmern für die Masken zu suchen.

Ein Vorschlag, dessen Umsetzbarkeit der Südtiroler Manager aber bezweifelt haben soll. Er dürfte es nicht für realistisch gehalten haben, dass außerhalb des medizinischen Bereichs eine zweistellige Millionenzahl an Masken gebraucht würden. Ein Argument, das der Rotkreuz-Mann für unerheblich befunden haben soll. Es gehe eben um den Aufbau einer Drohkulisse für negative Veröffentlichungen.

Endabrechnung fehlt noch

Heute weiß man, wie die Sache ausging: Es kamen massenweise weitere mangelhafte Masken, die Finanzprokuratur hat Anzeige erstattet, weil sie es für möglich hält, dass die Republik spätestens ab Juni 2020 getäuscht wurde. Die Betroffenen bestreiten die Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung.

Das Rote Kreuz betont, dass es nicht zu den Beschuldigten zählt. Das gilt auch für Ministeriumsmitarbeiter. Ein Sprecher des Roten Kreuz bestätigt, dass es der Republik für seinen Arbeitsaufwand 1,5 Prozent verrechnet habe, weit unter den üblichen Marktpreisen. Endabrechnung gebe es noch nicht, die Behörde prüfe noch. (Renate Graber, 26.1.2022)