Lass dich herzen: Nick Kyrgios und Thanasi Kokkinakis nach dem Sieg im Halbfinale.

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Punkte werden zelebriert, es ist eine Show.

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Ausraster dürfen nicht fehlen. Nach der Schlägerzerstörung zeigte Kyrgios einem Fan im Publikum den Mittelfinger.

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Melbourne – Es wird geflucht, getanzt, nach gewonnen Punkten schmust man sich ab und krachende Schläge werden mit obszönen Gesten gefeiert. Wenn die Australier Nick Kyrgios und Thanasi Kokkinakis bei den Australian Open Doppel spielen, dann herrscht auf dem Tennisplatz eine Stimmung wie im Pub.

Das Land feiert sein Sensationsduo wie Rockstars. Wo normalerweise gähnende Leere bei Doppelpartien herrscht, füllen frenetisch feiernde Zuschauer im Melbourne Park die Stadien.

"Wir bringen Tennis auf ein neues Level", sagt Kyrgios. Als Wildcard-Starter bezwang die Paarung am Donnerstag das als Nummer 3 gesetzte Doppel Granollers/Zeballos mit 7:6 (7:4), 6:4 und steht überraschend im Endspiel.

Aufschlag, Volley, Punkt. Aufschlag, Volley, Out. Eine trocken heruntergespielte Doppelpartie kann schon fad sein. Nicht so mit Kyrgios. Der 26-Jährige ist seit Jahren verhaltensauffällig, bei den Australian Open fällt er nicht nur durch Zauberschläge auf. Beim Viertelfinal-Erfolg über Tim Pütz und Michael Venus (GER/NZL) smashte Kyrgios einen bereits ins Out gegangenen Ball derart hart auf die Tribüne, dass einem getroffenen Kind auf den Zuschauerrängen die Tränen kamen. Kyrgios schenkte dem Burschen einen seiner Schläger.

Also alles gut? Sicher nicht. Gegner zeigen sich verärgert, werden von den Zuschauern während des Aufschlags ausgebuht. "Man sieht, warum er sein Potenzial nicht erfüllt hat und es wohl nie tun wird. Sein Reifegrad gleicht dem eines Zehnjährigen, wohlwollend ausgedrückt", sagte Venus, der sich über das Publikum enttäuscht zeigte. "Das sind halt seine Fans, und er dreht das so, wie es ihm hilft. Aber am Ende des Tages ist er ein Idiot."

Kyrgios ist im Einzel Nummer 115 der Weltrangliste, im Doppel Nummer 259. Kokkinakis steht als Nummer 103 bzw. 434 auch nicht besser da – gemeinsam konnte man nur mit einer Wildcard antreten.

In Australien nennt man sie bereits die "Special K's". Die Einschaltquoten im lokalen Fernsehen gingen sprunghaft in die Höhe, die Erfolge sind Breaking News. Der ein Schattendasein fristende Doppelbewerb wurde entstaubt.

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"Wir sind anders als die typischen Doppelspieler", sagt Kokkinakis. "Am Ende des Tages geht es um Unterhaltung, Nick ist mehr Showman, aber das sind einfach unsere Persönlichkeiten. Ich spiele gerne mit ihm, wir kommen außerhalb des Platzes gut miteinander aus. Und die Fans können diese Art Freundschaft sehen. Es ist echt. Wir haben teils mehr Zuschauer als Spieler im Einzel."

Nun kommt es zum ersten komplett australischen Finale von Melbourne seit 1980. Kyrgios/Kokkinakis treffen am Samstag auf Matthew Ebden und Max Purcell. Tennislegende Rod Laver schickte über Twitter umgehend Glückwünsche an die erfolgreichen Landsmänner.

Australiens legendärste Doppelpaarung, Mark Woodforde und Todd Woodbridge, gewann gemeinsam elf Grand-Slam-Titel. Kyrgios will nun seinen ersten großen Doppeltitel. Die Interviews nach dem Match auf dem Platz sind hochemotional. Kyrgios' größter Wunsch: "I just want to win this fucking thing." (Florian Vetter, 27.1.2022)