Köstinger kritisiert Millionengewinne der Handelskonzerne, die auf dem Rücken der Bauern ausgetragen würden.

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Wien – Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) hat vor dem Start der Wintertagung des Ökosozialen Forums einmal mehr zu einem Rundumschlag gegen Handelskonzerne ausgeholt. Mit Blick auf die Preisverhandlungen ortete sie "ein schizophrenes und absurdes" System, das landwirtschaftliche Betriebe unter Druck setze und "dem Ende angehören muss". Es gelte, faire Preise für die Betriebe zu garantieren, forderte Köstinger am Donnerstag in einer Pressekonferenz. In der Causa Schirnhofer wies Rewe indes die Vorwürfe zurück.

So würden "Millionengewinne auf dem Rücken bäuerlicher Betriebe geschrieben", kritisierte Köstinger. Zuletzt publik gewordene Fälle unfairer Praktiken seien "nur die Spitze des Eisbergs", verwies sie auf den öffentlich ausgetragenen Streit zwischen dem Fleischverarbeiter Karl Schirnhofer und dem Billa-Konzern Rewe. Von "Erpressungspraktiken" betroffene Produzenten könnten sich ab März auch an die eigens dafür eingerichtete Ombudsstelle wenden, betonte die Ministerin.

Gesetz gegen "unfaire Praktiken" in Arbeit

Gefordert seien "sinnvolle und faire Preise sowie Wertschätzung für die bäuerliche Arbeit", sagte Köstinger. In diesem Sinne sei mittlerweile ein Gesetz in Umsetzung, das "unfaire Praktiken" wie überzogene Zahlungsziele seitens des Handels gegenüber den Bauern verbiete. Es gehe darum, die Position der Bauern in der Wertschöpfungskette zu stärken, sagte sie.

Köstinger nahm dabei auch die Verarbeitungsbetriebe in die Pflicht, insbesondere mit Blick auf die Schweinefleischproduktion. Als Bauer "müsse man mittlerweile mehr als ein Kilo Schweinefleisch verkaufen, um sich eine Stunde Parken in Wien leisten zu können", so die Politikerin. Das sei ein völlig absurdes System, das sich vermeiden ließe, wenn sich die Handelsbetriebe das Schweinefleisch nicht billiger aus anderen Ländern kaufen würden.

Transparenz durch Herkunftskennzeichnung

Für eine Unterstützung der Bauern zentral sei das Thema Herkunft, wie es auch im Rahmen der Wintertagung diskutiert wird. Man brauche in Österreich eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung, damit für die Konsumentinnen und Konsumenten endlich Transparenz hergestellt werde. Dieses System müsse nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa umgesetzt werden, forderte Köstinger.

Allerdings gibt es laut Köstinger auch positive Signale in Richtung der Stärkung heimischer Produkte. So habe im vergangenen Jahr ein "Umdenken" der Konsumentinnen und Konsumenten stattgefunden, das sich in einer Steigerung der Nachfrage nach Produkten aus der Direktvermarktung niederschlage. Köstinger räumte zwar ein, dass dies auch auf die zeitweise Schließung der Gastronomie zurückzuführen sei. "Aber es zeigt sich, dass die Menschen die Nase voll von dem Einheitsbrei der Lebensmittel-Konzerne haben".

Auch Stephan Pernkopf, Präsident des Ökosozialen Forums, plädierte für die Einführung der Herkunftskennzeichnung, denn "ohne Herkunft gibt es keine Sicherheit". "Nur wenn ich weiß, wo etwas herkommt, kann ich auch sicher sein, wie es hergestellt wird und ob es verfügbar ist", sagte der Agrarvertreter. Für ihn sei das Wissen über die Herkunft ein "Bürgerrecht". Sorgen bereiten Pernkopf aber auch die Energiewende und entsprechende Entwicklungen in Europa. Man lehne es jedenfalls ab, die Atomkraft "mit einen grünen Mascherl zu versehen", sagte Pernkopf mit Blick auf die EU-Taxonomie.

Neos-Kritik an "Showpolitik"

Verärgert zeigten sich hingegen die Neos über Köstingers Aussagen. "Seit 35 Jahren stellt die Volkspartei die Landwirtschaftsminister – und jetzt auf einmal will sich Köstinger als große Kämpferin für die Bauern inszenieren und sie angeblich aus der Abhängigkeit des Handels befreien. Das ist durchschaubarste Showpolitik", sagte Landwirtschaftssprecherin Karin Doppelbauer am Donnerstag zum STANDARD. "Statt jetzt Tag für Tag populistische Attacken gegen den Handel zu reiten, um so das langjährige Versagen der ÖVP zuzudecken, sollte sich Köstinger schleunigst mit den Handelsvertretern an einen Tisch setzen und echte Lösungen entwickeln."

Rewe weist erpresserische Methoden zurück

In der Causa Schirnhofer meldete sich unterdessen Rewe zu Wort und wies die erhobenen Vorwürfe zurück. Man stelle "unmissverständlich klar", dass es keine Erpressungsversuche oder Drohungen gegen Schirnhofer gegeben habe, hieß es in einer Stellungnahme. Schirnhofer hatte den Supermarktketten Billa und Billa Plus in einem Brief an Lieferanten "erpresserische Methoden" vorgeworfen und angekündigt, die Belieferung der Ketten mit Almo-Fleisch mit 31. März einzustellen.

Rückendeckung für Schirnhofer kam am Donnerstag vom grünen EU-Abgeordneten Thomas Waitz. In dem Fall würden "erneut systematische Unterdrückungspraktiken von Handelsgiganten sichtbar", erklärte Waitz. Nicht selten würden diese ihre Marktmacht missbrauchen, um Bauern und mittelständische Unternehmen in der Wertschöpfungskette massiv unter Druck zu setzen.

Experte: "Asymmetrie der Macht"

Nach der Einschätzung des Handelsexperten Peter Schnedlitz ist der Lebensmitteleinzelhandel in Österreich geprägt "von einer Asymmetrie der Macht". Es gebe viele kleine Anbieter und große Handelsketten und da sei es klar, dass diese Macht dazu verleiten könne, Machtmissbrauch zu betreiben, sagte er im "Ö1-Mittagsjournal" unabhängig von der Causa Schirnhofer.

Besonders hart umkämpft ist laut Schnedliz der Bereich Fleisch, Wurst und Geflügel: So böten manche österreichischen Händler ein Kilogramm um 4,90 Euro an, was keinem fairen Preis entspreche. Solche Ausreißer seien es, die das Klima in der Branche vergifteten, erklärte er. Andererseits würden die Konzerne es den kleinen Anbietern ermöglichen, sich breit zu präsentieren, so Schnedlitz. (APA, 27.1.2022)