Als Kanzler besuchte Sebastian Kurz einen Panda in China, als Außenminister wurde er von Befragten als Pfau, Eichhörnchen, Delfin oder Wiesel gesehen

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Viel Häme hat sich zuletzt über das Finanzministerium und dessen Studienaufträge ergossen. Anlass dafür: eine 2018 fertiggestellte Untersuchung zu "Wirtschafts- und Budgetpolitik", in der auch abgefragt worden war, welche Tiere die Befragten mit Politikern assoziieren und welchen Automodellen einzelne Parteien ähneln. Auch eine Familienaufstellung der hiesigen Parteienlandschaft als Vater, Mutter, Kind und Hausfreund bekam das Finanzministerium mit dieser Expertise mitgeliefert.

Eine politische Peinlichkeit, die für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ebenso interessant ist, aus mehreren Gründen. Die Ermittler hegen zum einen den Verdacht, dass die Studien teils parteipolitisch motiviert waren und dem Team rund um Sebastian Kurz, damals Außenminister, zugutegekommen seien. Zum anderen sollen manche der in der Mediengruppe Österreich publizierten Umfragen verdeckt über das Ministerium abgerechnet worden sein – die WKStA spricht von Scheinrechnungen. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe.

Offene Kosten "reinpacken"

Zentrale Figur der Affäre ist Meinungsforscherin Sabine B., die einst bei Demoskopin Sophie Karmasin gearbeitet hat. Als das Finanzministerium 2016 die ersten Studien bei B. in Auftrag gab, war Karmasin für die ÖVP als Familienministerin tätig. Die WKStA denkt, dass auch sie in die Sache verwickelt war.

Was B. weiter verdächtig macht: Sie stand in regem Kontakt zu Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium. Sie chatteten darüber, dass B. offene Kosten für Befragungen in Studien für das Ministerium "reinpacken" solle. Zum Beispiel in die Studie zur "Betrugsbekämpfung", wobei Schmid ihr das Abrechnungsprozedere "persönlich" erklären wollte. In dieser Studie wurde analysiert, welche Relevanz das genannte Thema in der Bevölkerung beziehungsweise für Unternehmer habe und welche Maßnahmen dazu wahrgenommen würden. 61.740 Euro erhielt B. für die Durchführung und Analyse von 35 Tiefeninterviews, wiedergegeben auf ebenso vielen Seiten.

Gefragt wurde etwa nach Motiven für Steuerbetrugsdelikte, bei denen "Gier" und "Geiz" genannt wurden, aber auch der "Kampf ums Überleben" und "ungerechte Behandlung": "Wenn man viel verdient und fast 60 Prozent an Steuern abgeben muss, sucht man Rache." Ob Unternehmer Siegfried Wolf unter den Befragten war, ist nicht bekannt, Studienteilnehmer bleiben ja anonym.

Fehlende Studien

Insgesamt lieferte B. zwischen September 2016 und November 2020 vierzehn Studien, für die sie in Summe 587.400 Euro bekam. Am meisten brachte ihr die genannte Expertise zu "Wirtschafts- und Budgetpolitik", fast 156.000 Euro. Veranschlagt waren zuerst nur rund 35.000 Euro gewesen, im Lauf der Zeit war die Studie jedoch mehrmals ausgebaut worden. Die WKStA hält es für "sehr wahrscheinlich", dass hier "Kosten für die von der ÖVP beauftragten Umfragen hineingerechnet wurden". B.s Anwältin war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Themen, mit denen sich B. auch beschäftigte, reichen von Nulldefizit und Digitalsteuer bis hin zum "Wirtshauspaket". Die Expertisen aus den Jahren 2016 bis 20219 sind nun auf der Ministeriumswebsite veröffentlicht, mit zwei Ausnahmen: Von der Expertise zum Nulldefizit und jener zur Steuerentlastung fehlt jede Spur.

Die ministeriumsinterne Suche nach den Studien dürfte sich recht schwierig gestaltet haben, wie es in einem Bericht der Internen Revision hieß. Bei keiner der 28 untersuchten Studien gab es eine Ausschreibung, in 26 Fällen vermisst man im Akt die Studienergebnisse und die Dokumentation. Die erwähnte Expertise zu "Wirtschafts- und Budgetpolitik" war digital nicht auffindbar, sie musste händisch zusammengetragen und eingescannt werden.

Kritik an Methodik

Für Michael Nitsche von Gallup wirkt die Studie "nicht ganz vollständig", es fehlten "Standardmäßig übliche Informationen". Analyse und Auswertung würde auch ein "zweitsemestriger Student in der Form" zusammenbringen. Die Methodik der Tierassoziationen sei "in der qualitativen Sozialforschung üblich", in der Politik halte er sie aber "für keine angemessene" Methode: "Das ist in etwa so, als würde man mit dem Taschenfeitl eine Herzoperation durchführen." Auch Meinungsforscher Peter Hajek sieht Tierassoziationen grundsätzlich als zulässig an. Wozu der Finanzminister Erkenntnisse "über die Eigenschaften breiter Teile des politischen Establishments" gebraucht habe – diese Frage könne er nicht beantworten.

Altkanzler Sebastian Kurz äußerte sich in der Sache auch zu Wort, er habe "keinen Mehrwert" in den Studien gesehen und "jetzt erst aus der Zeitung" von den Inhalten der Studien erfahren.

In der Sache geht es jedenfalls um viel Steuergeld. Um wie viel genau, das wird derzeit untersucht. Die Finanzprokuratur wurde beauftragt zu prüfen, ob ein Schaden entstanden ist – und wenn ja, wer dafür geradestehen muss. Die Sache ist allerdings angesichts der geschilderten unklaren Verhältnisse komplex. Die Opposition forderte jedenfalls die ÖVP auf, den Auftragswert der Studien an das Finanzministerium zu überweisen.

Möglicherweise würden die 2017 für B.s Betrugsbekämpfungsstudie Befragten eines ihrer Resümees heute anders ziehen. Damals meinten sie: "Verglichen mit anderen Ländern ist Österreich nicht für Korruption/Bestechung bekannt." (Renate Graber, Fabian Schmid, Doris Priesching)