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Fatigue ist ein häufiges Symptom bei Long Covid. Betroffene klagen über Erschöpfung nach scheinbar banalen Aktivitäten.

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Mitte Februar sollen die Infektionszahlen ihren Höhepunkt erreichen, so die Schätzungen von Expertinnen und Experten. Und – auch hier sind sich Fachleute weitestgehend einig – Omikron könnte den Ausklang der Pandemie einläuten. Unklar ist allerdings, wie man mit langfristigen gesundheitlichen Folgen der Pandemie umgehen wird. Die SPÖ fordert jetzt von der Regierung eine Strategie im Umgang mit Long Covid. Das Problem werde großteils ignoriert, beklagte der stellvertretende Klubobmann Jörg Leichtfried am Donnerstag in einer Pressekonferenz, und das, obwohl derzeit 170.000 Menschen von Long Covid betroffen seien, die Dunkelziffer sei noch höher. Wie viele genau betroffen sind, weiß man nicht, das wird in Österreich nicht erhoben. Schätzungen gehen von zehn Prozent aus.

International gibt es mittlerweile mehr Daten zum Thema, es bleiben aber viele Wissenslücken. Eine neue Studie aus Israel kommt nun zum Schluss, dass Long-Covid-Symptome bei geimpften Personen weniger wahrscheinlich sind als bei Ungeimpften. Zwischen Juli und November 2021 wurden mehr als 3000 Menschen, die seit März 2020 positiv auf Covid getestet wurden, zu Long-Covid-Symptomen befragt. Geimpfte berichteten mit 54 Prozent geringerer Wahrscheinlichkeit über Kopfschmerzen, mit 64 Prozent geringerer Wahrscheinlichkeit über Müdigkeit und mit 68 Prozent geringerer Wahrscheinlichkeit über Muskelschmerzen als Ungeimpfte. Ob diese Zahlen auch für Long Covid als Folge einer Omikron-Infektion gelten, bleibt unklar.

Risikofaktoren für eine Long-Covid-Erkrankung

Eine andere am Dienstag in der Zeitschrift Cell veröffentlichte Studie identifizierte vier biologische Faktoren, die das Risiko für Long Covid erhöhen. 209 Patientinnen und Patienten wurden zwei bis drei Monate nach ihrer Covid-19-Diagnose beobachtet und zu Symptomen wie Kurzatmigkeit und Müdigkeit befragt.

Ein entscheidender Risikofaktor für Long Covid sei der Gehalt an Corona-RNA im Blut zu Beginn der Infektion, ein Indikator für die Viruslast. Ein weiterer Grund sei das Vorhandensein bestimmter Autoantikörper. Das sind Antikörper, die fälschlicherweise Gewebe im Körper angreifen, wie das etwa bei rheumatoider Arthritis der Fall ist.

Weitere Faktoren seien die Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus und Typ-2-Diabetes. Die Forscher selbst und andere Expertinnen räumten allerdings ein, dass sich in breiter angelegten Studien herausstellen könnte, dass Diabetes nur eine von mehreren Erkrankungen ist, die das Long-Covid-Risiko erhöhen. Die Forschenden warnten generell, dass die Ergebnisse explorativ seien und durch mehr Forschung verifiziert werden müssten.

Unschärfe bei Studien

Die neuen Studienergebnisse ergänzen zwar die bisher wenigen Daten, machen aber ein zentrales Problem deutlich: Es gibt keine einheitliche Definition von Long Covid, die bei allen Studien konsistent herangezogen wird. Die WHO hat das Krankheitsbild zwar definiert, aber zu breit gefasst, um Long Covid von gängigen Symptomen in Rehabilitationsphasen abzugrenzen, findet Neurologe Michael Stingl: "Fatigue ist ein unspezifischer Begriff. Das ist bei vielen Erkrankungen eine Begleiterscheinung, bei Depression genauso wie bei neurologischen Erkrankungen oder eben bei schweren Lungenentzündungen." Nicht alles, was in Forschungen derzeit als Long Covid bezeichnet wird, meint das Gleiche. Dadurch ergebe sich eine irrsinnig große Unschärfe, kritisiert der Neurologe.

"Natürlich ist man nach einem schweren Verlauf auf der Intensivstation nicht sofort wieder fit. Das ist mit Rehabilitation verbunden, die aber nicht mit Long Covid gleichzusetzen ist", erklärt Stingl. Fatigue ist nicht gleich Fatigue. Im Normalfall würde diese Müdigkeit in der Phase der Regeneration besser, etwa durch leichtes Ausdauertraining. "Die Fatigue bei Long Covid wird hingegen schlechter", stellt Stingl klar. Banale Aktivitäten wie Geschirrspüler ausräumen würden dann plötzlich zu Schweißausbrüchen führen. "Das ist etwas ganz anderes als die Erschöpfung in der Erholungsphase nach einer schweren Krankheit. In den Studien wird das aber meist in einen Topf geworfen."

Studien mit dem Ergebnis, dass die Impfung Long Covid verhindert, würden laut Stingl demnach viel eher bedeuten: "Die Impfung verhindert schwere Verläufe, und dadurch sind lange anhaltende Probleme geringer." Durch die Impfung würde es eine Risikoreduktion geben, auch bei Durchbruchsinfektionen, "aber wir wissen schlicht nicht, wie groß diese Reduktion ist". (Magdalena Pötsch, 27.1.2022)