Jörg Meuthen hat die AfD verlassen.

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Berlin – Co-Parteichef Jörg Meuthen hat den AfD-Vorsitz niedergelegt und ist aus der Partei ausgetreten. Das teilet er der ARD-"Tagesschau" am Freitag in einem Interview mit, bevor er den Schritt auch offiziell bestätigte. Meuthen sprach demnach von einer Niederlage im Machtkampf mit der formal aufgelösten rechtsextremen Parteifraktion "Flügel" um die Ausrichtung der AfD.

Er sei als Parteichef "mit seinem Einsatz für einen anderen Weg gescheitert", sagte Meuthen laut der Meldung der ARD. Teile der Partei stünden seiner Meinung nach "nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung", sagte er. "Ich sehe da ganz klar totalitäre Anklänge." In der Corona-Politik, so Meuthen, habe die AfD sogar "etwas Sektenartiges entwickelt".

Scheitern gegen ganz weit rechts

Meuthen haderte schon lange mit seiner Partei. Der Volkswirt plädierte in den vergangenen zwei Jahren wiederholt für einen gemäßigteren Kurs der AfD. Damit machte er sich Feinde, vor allem in der Rechts-außen-Strömung um den Thüringer Landeschef Björn Höcke.

Meuthen übte in einem ARD-Interview heftige Kritik an seiner Partei.
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Zuletzt hatte es für Meuthens Vorschläge im Parteivorstand nicht immer Mehrheiten gegeben. So war beispielsweise im August der Versuch gescheitert, den Rauswurf des nordrhein-westfälischen AfD-Bundestagskandidaten Matthias Helferich zu beantragen. Dieser soll laut Medienberichten in Chats mit seinem guten Verhältnis zur Neonazi-Szene geprahlt haben und hatte sich in einem Facebook-Video einmal – angeblich spaßeshalber – als "freundliches Gesicht des Nationalsozialismus" bezeichnet.

Deutlich sichtbar war auch sein Zerwürfnis mit jenem Duo, das an der Spitze der Parteibewerbung für die Bundestagswahl kandidierte. Mit Alice Weidel und Tino Chrupalla lieferte sich Meuthen nach der aus AfD-Sicht enttäuschenden Wahl Ende September auf der Bühne der Bundespressekonferenz eine öffentlichen Auseinandersetzung. Auch auf dem Parteitag im November hatte Meuthen Kritik an Teilen der AfD geübt und unter anderem deren Nähe zur "Querdenker"-Szene kritisiert. Man solle mit Begriffen vorsichtig sein, sagte er unter anderem und bezog sich dabei etwa auf Vorwürfe hinsichtlich einer "Corona-Diktatur". Die "Tagesschau" zitierte ihn damals mit den Worten: "Wir leben in keiner Diktatur, sonst könnten wir diesen Parteitag wohl auch kaum abhalten."

Seine Kritik hatte Meuthen oft nicht nur mit Inhaltlichem verbunden, sondern vor allem auch mit der Sorge um den Wahlerfolg. Stehe die AfD zu weit rechts und verbünde sich zu stark mit der Szene der sogenannten Maßnahmenkritiker, sei ihr in der Zukunft allenfalls das Dasein als "ostdeutsche Regionalpartei" beschieden, so Meuthen.

Strafrechtliche Ermittlungen

Zuvor waren auch strafrechtliche Ermittlungen gegen Meuthen, der auch als AfD-Europaabgeordneter fungiert, näher gerückt. Der zuständige Ausschuss im EU-Parlament stimmte am Donnerstag mit großer Mehrheit für die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität.

Hintergrund sind Ermittlungen in der AfD-Spendenaffäre. Bevor Meuthen seine Immunität tatsächlich verliert, muss das Plenum des Parlaments dem Schritt im Februar noch zustimmen. In der Regel folgt es den Empfehlungen des Ausschusses. Genau auf diese Ermittlungen nahm Weidel auch in einer ersten Reaktion Bezug. Dass Meuthen sich genau jetzt zurückziehe, sei in diesem Kontext "zumindest auffällig".

Meuthen war im Sommer 2015 als einer von zwei Co-Vorsitzenden an die Parteispitze gewählt worden, damals an der Seite von Frauke Petry, die ihrerseits schon gut zwei Jahre später die Partei verließ – ebenfalls mit Kritik an der stramm rechten Ausrichtung. Während das Verhältnis der beiden als angespannt galt, kam Meuthen mit dem späteren Co-Vorsitzenden Alexander Gauland lange Zeit gut zurecht. Das Verhältnis zwischen Meuthen und Chrupalla, der jetzt alleine an der Spitze der Partei steht, war praktisch von Anfang an schwierig.

Sein EU-Mandat will Meuthen behalten, er möchte auch in der rechten Fraktion Identität und Demokratie (ID) bleiben, in der etwa auch die FPÖ, die italienische Lega und das französische Rassemblement National von Marine Le Pen organisiert sind. (red, APA, Reuters, 28.1.2022)