Eine Auseinandersetzung zwischen Küchen- und Servicepersonal in einem populären Lokal endet vor dem Strafrichter.

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Wien – Man verstehe sich als "Wohlfühllokal", ist auf der Webseite eines populären Gastronomiebetriebs in einem innerhalb des Gürtels gelegenen Bezirks zu lesen. Angeklagter S. fühlte sich am Abend des 16. Oktobers in dem Lokal definitiv nicht mehr wohl, weshalb er auch kündigte. Nachdem er, wie die Staatsanwältin anklagt, die Brille eines Kollegen zerstört und ihn mit dem Umbringen bedroht haben soll. Wozu der 37-Jährige sich "nicht schuldig" bekennt.

Die Geschichte, über die Thomas Kreuter richten muss, illustriert das Konfliktpotenzial, wenn unterschiedliche Lebenswelten aufeinanderprallen. Auf der einen Seite der vorbestrafte Angeklagte, der als Koch werkte. Auf der anderen Seite Herr L., der Matura hat, sieben Jahre jünger ist und für den Servicebereich zuständig war, wo mehrere Studentinnen tätig waren.

Zwei Bier und Schnaps nach Dienstschluss

"Worüber haben Sie eigentlich so gestritten?", fragt der Richter den Angeklagten. "Weil L. mich immer wieder provoziert hat. Und an dem Abend habe ich nach Dienstschluss zwei Bier und ein bissl Schnaps getrunken ...", erinnert S. sich. "Hat die fragliche Auseinandersetzung Wurzeln in dem, was eine Kellnerin gemacht hat?" – "Na ja, inkompetente Arbeitsweise. Und wir in der Küche müssen das ausbaden."

Wie sich im Verfahren herausstellt, hatte eine 24-Jährige in der Küche eine Lade mit Lebensmitteln geöffnet, die nicht zu ihrem Bereich gehörte. Worauf der Angeklagte sie wüst beschimpfte. Eine Kollegin, die das hörte, verriet das L., der daraufhin ein Gespräch suchen wollte, wie er als Zeuge aussagt.

Er sei in die Küche gekommen und habe die Schnapsflasche in den Servicebereich entführt, führt L. aus. "Wieso? Ich dachte, Sie sind nicht für die Küche zuständig?", wundert Kreuter sich. "Weil bei uns ein relativ striktes Alkoholverbot herrscht ..." – "Ja, aber S. war ja gar nicht mehr im Dienst?" – "Ich habe sie versteckt, damit ich in Ruhe mit ihm reden kann" – "Und Sie meinen, das ist deeskalierend?", stellt der Richter die Strategie des 30-Jährigen infrage.

"Ich wollte das klären, er seinen Schnaps"

Zwischen L. und dem Angeklagten entstand jedenfalls ein Streit: "Ich wollte das klären, er seinen Schnaps", fasst der Zeuge zusammen – die Auseinandersetzung wird auch vom Angeklagten nicht geleugnet. L. holte die Flasche schließlich – und knallte sie offenbar dem Angeklagten so heftig vor die Füße, dass sie zerbrach.

Daraufhin habe der Angeklagte ihm die Brille von der Nase genommen und in eine Fritteuse geworfen, behauptet der Zeuge. Er habe einen Schlagversuch von L. abgewehrt und dabei vielleicht unabsichtlich das Gesicht von L. berührt, sagt der Angeklagte. Wechselseitige Beleidigungen endeten dann damit, dass S. seine Messer vom Arbeitsplatz holte, an L. vorbeiging und dabei sagte: "Seh ich dich irgendwann privat, dann war's das für dich!" Letzteres ist als gefährliche Drohung angeklagt, die Brille als Sachbeschädigung.

S. beteuert, den Satz keineswegs als Drohung gemeint zu haben, er sei sich auch sicher, dass L. sich nicht gefürchtet habe. Auch L. sagt: "Die Worte waren im Affekt. Ich habe keine psychischen oder physischen Folgen." Die Staatsanwältin fragt sicherheitshalber nach: "Haben Sie sich gefürchtet?" – "Nein. Ich habe mir gar nichts gedacht", lautet die Antwort des Zeugen. Warum im Endeffekt dann doch die Polizei gerufen wurde, bleibt offen.

Heimliche Aufnahmen

Wie sich nämlich herausstellt, gehört die angeklagte Drohung eigentlich noch zu den harmloseren Dingen, die in dem Disput geäußert werden. Das erfährt der Richter, als die Kellnerin als Zeugin auftritt und berichtet, sie habe die Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern mit ihrem Handy aufgenommen. Zu Kreuters Freude hat sie die beiden Videos dabei, er kann sie sich anhören.

Der Umgangston ist vorsichtig ausgedrückt rau: "Du Fotze, Oida, wos is mit dir, gschissenes Oarschloch!", hört man beispielsweise den Angeklagten schreien. Oder auch: "Wenn i di siach, prack i di um, du Oarschloch!", als die Brille fliegt. Diese Sequenz ist zufällig im Bild zu sehen, einen absichtlichen Wurf der Augengläser in das Fett kann der Richter aber nicht erkennen. "Es war eine Watsche", konstatiert er. Der angeklagte Satz ist zwar zu hören, die Situation, in der er fällt, aber nicht – dafür bestätigen mehrere Zeugen, dass S. bei seinem Abgang die Messer mit der Klinge zum Boden und nicht bedrohlich in der Hand hatte.

Der Richter spricht den Angeklagten daher in beiden Punkten frei. "Es herrschte eine aufgeheizte Stimmung durch gegenseitige Provokationen", ist er überzeugt, L. selbst habe gesagt, dass er sich nicht gefürchtet habe. "Es ist ein bisschen ein Hahnenkampf gewesen", mutmaßt der Richter. Nach Ansicht des Videos sei er auch zum Schluss gekommen, dass die Handbewegung des Angeklagten nicht auf die Brille von L. ziele, im Zweifel könne er daher keinen Vorsatz für eine Sachbeschädigung erkennen. Die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 30.1.2022)