Protest vor der Strabag-Zentrale.

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Eine Petition wurde übergeben.

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Die ehemalige Aculeo-Lagune in Paine, Provinz Maipo.

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In Patorca, Provinz Valparaiso, ist man für die Trinkwasserversorgung auf Tankwagen angewiesen, weil die Flüsse kaum noch Wasser führen.

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19 Millionen Menschen leben in Chile, fast die Hälfte davon im Großraum Santiago.

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Wien/Santiago – Trotz Sturmwinds auf der Donauplatte demonstrierten vergangenen Freitag sechs Personen vor der Zentrale der Strabag in Wien. Zeitgleich wurde auch vor der österreichischen Botschaft in Santiago de Chile protestiert.

Die Forderung: Der österreichische Baukonzern solle verhindern, dass das umstrittene chilenische Wasserkraftwerksprojekt Alto Maipo, an dem er mit sieben Prozent beteiligt ist, in Betrieb geht, bevor am 11. März die neue Regierung angelobt wird.

Dann solle das Kabinett des Wahlsiegers Gabriel Boric das Projekt neu bewerten. Boric und dessen politischer Berater Giorgio Jackson haben sich in der Vergangenheit kritisch über das Projekt geäußert, seit der Wahl aber jede Stellungnahme dazu vermieden. Es wird befürchtet, dass das Kraftwerksprojekt die Trinkwasserversorgung von Millionen Menschen gefährdet.

13 trockene Jahre

Weite Teile Chiles sind von einer Wasserkrise betroffen. Seit 13 Jahren fallen im Zentrum des Landes zu wenig Niederschläge. In den vergangenen Jahren wurden die Kapazitäten der Wasserwerke, die die Metropolregion versorgen, deshalb um 500 Millionen Dollar ausgebaut.

Trotzdem mussten im Vorjahr Landwirte darauf verzichten, ihre Felder zu bewässern, um die Trinkwasserversorgung sicherzustellen. In dieser Woche blieben für die Bewohner des Maipo-Tals im Süden Santiagos wegen niedriger Wasserstände zwei Tage lang für je zwölf Stunden die Leitungen trocken. Claudio Orrego, der Gouverneur der Hauptstadtregion, kann nicht ausschließen, dass das Wasser in Santiago und Umgebung auch heuer rationiert werden muss.

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Kostbares Nass: Chiles Weine sind ein Exportschlager, aber der Anbau verbraucht große Wassermengen.
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Neben Landwirtschaft und menschlichem Konsum verbraucht die Bergbauindustrie große Mengen Wasser. Hier sollen neue Vorschriften bewirken, dass ins Gebirge hochgepumptes Meerwasser verwendet wird, wo dies möglich ist. Drei Pumpwerkketten sind bereits in Betrieb, dazu kommen acht große Entsalzungsanlagen. Wegen deren hohen Energieverbrauchs ist das Wasser aus diesen aber doppelt so teuer.

Als die Strabag 2012 einen Anteil am Kraftwerksprojekt Alto Maipo erwarb, den die milliardenschwere kroatisch-chilenische Luksic-Familie abgestoßen hatte, war diese Entwicklung wohl noch nicht in vollem Ausmaß abzusehen. Auf über 2.500 Meter Seehöhe wurden seither insgesamt 73 Kilometer lange unterirdische Rohrleitungen errichtet, die zwei Laufkraftwerke mit einer Kapazität von 530 Megawatt versorgen sollen – das größte Wasserkraftwerk Chiles.

Unterirdische Baustelle im Hochgebirge.

Laut "Trend" spricht man mittlerweile Strabag-intern von einem "Milliardengrab", und die Finanznachrichtenagentur Bloomberg schätzt, dass die beiden Kraftwerke entgegen den ursprünglichen Berechnungen nicht 2.218 Gigawattstunden im Jahr, sondern weniger als die Hälfte liefern werden.

Bankrott angemeldet

Im November 2021 meldete die Betreibergesellschaft Alto Maipo SA deswegen vorsorglich beim US-Gericht in Delaware Bankrott an. Vorstandschef Javier Dib erklärte bei diesem Anlass, sinkende Strompreise und weniger Niederschläge als erwartet hätten die Bedingungen dramatisch verändert: Erhielt man zu Baubeginn noch 120 Dollar für eine Megawattstunde, sind es mittlerweile nur noch 50.

Aktiva von einer Milliarde Dollar stehen Schulden von zehn Milliarden gegenüber. Seit Baubeginn sind die Projektkosten wegen schwieriger geologischer Bedingungen um 70 Prozent gestiegen, und von der geplanten Inbetriebnahme Mitte 2019 ist schon lange keine Rede mehr. Am 30. Dezember ging eines der beiden Flusskraftwerke im Probebetrieb kurz ans Netz, chilenische Medien berichten, dass die Kraftwerke schlussendlich Ende März Strom liefern sollen. Ob damit Gewinne erzielt werden können, wird mittlerweile bezweifelt.

Laut chilenischer Verfassung, die noch unter der Diktatur General August Pinochets entstand, gehören Wasservorkommen nicht dem Staat, sondern sind Privatbesitz.

Der Wasserversorger der Hauptstadt, Aguas Andinas, eine Tochter der französischen Suez, hatte ursprünglich dem Kraftwerksbetreiber einen Teil seiner Wasserrechte abgetreten. Mittlerweile wurden diese Vereinbarungen geändert, um Engpässe bei Niedrigwasser zu vermeiden. Da diese 2011 abgeschlossenen Verträge lange geheim gehalten wurden, haben Kraftwerksgegner Klage eingebracht.

Grüne kritisieren Strabag-Beteiligung

Lukas Hammer (Grüne), der Obmann des Umweltausschusses im Parlament, kritisiert die Strabag-Beteiligung: Es sei "eine Schande, sich an einem Projekt zu beteiligen, das die Wasserversorgung von acht Millionen Menschen gefährdet", sagte er dem STANDARD.

Die Strabag erklärte auf Anfrage, man habe die "Bauarbeiten bereits 2021 beinahe vollständig abgeschlossen" – und verweist "für weitere Auskünfte betreffend die Inbetriebnahme auf die Auftraggeberseite". (Bert Eder, 2.2.2022)