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Vergabe: Die Abstimmung war denkbar knapp

Oslo, Almaty (Bild) oder Peking. Freute sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) im November 2013 noch über "steigendes Interesse" an der Austragung der Winterspiele 2022, blieben ein halbes Jahr später nur noch drei ernstzunehmende Kandidaten übrig.

Krakau, Lwiw und Stockholm hatten sich selbst aus dem Rennen genommen. Bereits zuvor waren weitere Bewerbungen, darunter auch jene von München, an Bürgerentscheiden gescheitert. In der Folge fürchtete auch Norwegen, das Land mit den meisten Winter-Olympiamedaillen, explodierende Kosten. Das Parlament entschied sich im Oktober 2014 gegen Oslo 2022. Blieben noch zwei.

Bei der 128. IOC-Session in Kuala Lumpur kam es zur Abstimmung. Peking setzte sich mit 44:40 Stimmen bei einer Enthaltung gegen Almaty durch. Dass sich Kasachstan heute in einer Staatskrise befindet, interpretieren manche als späte Bestätigung, Peking sei die richtige Wahl gewesen.

Oslo war der eigentliche Favorit des IOC. Bei internen Bewertungen schnitt der Gastgeber der Spiele von 1952 am besten ab. Die Ansprüche des IOC an Austragungsstädte sind aber absurd hoch. Eine Forderung an Oslo lautete etwa, eigene Fahrbahnen auf Straßen eigens für Olympia zu reservieren. Das IOC reagierte nach dem Rückzug eingeschnappt, sprach von einer verpassten Chance für Norwegen.

Foto: REUTERS/Pavel Mikheyev

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Umwelt: Die ersten Spiele ohne Naturschnee

Lawinen sind in Yanqing, wo es um Alpin-Medaillen geht, nicht zu erwarten. Auch Zhangjiakou, Austragungsort von Biathlon- und nordischen Wettbewerben, versinkt nicht im Schnee. Die Gebiete im Nordwesten Pekings sind niederschlagsarm: Laut Bloomberg fielen in den vergangenen vier Jahrzehnten pro Winter nur 7,9 Millimeter. Schladming lukriert diese Menge in weniger als vier Februartagen.

Kein Schnee? Kein Problem für China. Die Spiele von Peking werden die ersten sein, die komplett ohne Naturschnee auskommen. Zwei Milliarden Liter Wasser dürften notwendig sein, um ausreichend Kunstschnee für die Bewerbe zu produzieren. Das entspricht dem Inhalt von 800 Olympia-Schwimmbecken oder mehr als neun Millionen Badewannen. Und das in einer Region, in der Trinkwasser ohnehin knapp ist. Das Wasser wird zum Teil aus Reservoirs umgeleitet, die zwei Autostunden entfernt liegen.

Chemikalien sollen die Schneeschmelze eindämmen, zudem wird Schmelzwasser aufgefangen und wiederverwertet. Die Organisatoren versprechen nichts Geringeres als klimaneutrale Spiele. Schneekanonen werden immerhin mit Strom aus nahegelegenen Windparks angetrieben. Wegen der Luftverschmutzung müssen Stahlwerke während der Spiele ihre Produktion reduzieren.

Foto: REUTERS/Pawel Kopczynski

Corona: Null Covid ist das oberste Limit

Yes we can", so scheint das Motto des Organisationskomitees zu lauten. Trotz aller Umstände reisen inmitten der Pandemie 2900 Sportlerinnen und Sportler samt Betreuerstäben nach Peking. Der überwiegende Teil kommt aus Europa, wo die Fallzahlen besonders hoch sind.

Nur vollständig Geimpfte dürfen einreisen, Ungeimpfte müssen 21 Tage in Hotelquarantäne. Diese hat von den Aktiven bisher nur die Schweizer Snowboarderin Patrizia Kummer auf sich genommen.

Die Aktiven fürchten einen positiven Test, denn dann wären die Spiele sofort vorbei. Langläuferin Teresa Stadlober und Skiläuferin Katharina Gallhuber konnten am Freitag nicht per ÖOC-Charterflug nach China reisen. Die letzten Testergebnisse müssen noch "im Detail evaluiert" werden, wie es vom ÖOC hieß. Bobpilotin Katrin Beierl ist seit kurzem genesen. Auch wenn Grenzwerte für positive Tests zuletzt herabgesetzt wurden, ist Peking strenger als der Rest der Welt. Deshalb blieb auch Beierl vorerst noch in Wien. "Das Risiko, dass sie in Quarantäne müsste, wäre aktuell noch zu groß", sagte der Chefarzt des ÖOC.

Am Samstag wurde eine Covid-Infektion von Freeskier Samuel Baumgartner bekannt. Die China-Reise macht keinen Sinn, sein Ct-Wert steigt zu langsam.

Ganz Peking gleicht einer Hochsicherheitszone. China hält an der strikten Null-Covid-Politik fest. Schon bei geringen Fallzahlen verhängen die Behörden einen kompletten Lockdown, wie etwa zuletzt in den Millionenmetropolen Xi’an und Xiong’an.

Foto: imago images/ITAR-TASS

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Menschenrechte: Meinungsäußerung kann gefährlich werden

Menschenrechte werden in China vielfach ignoriert. Die Lage ist vor allem für ethnische Minderheiten wie Tibeter oder Uiguren prekär – Letztere wurden in siebenstelliger Zahl in Lagern weggesperrt. Auch Oppositionelle sehen sich harten staatlichen Repressionen ausgesetzt.

Kritik an der kommunistischen Partei wird nicht zugelassen. Seitdem die Tennisspielerin Peng Shuai einem hochrangigen Mitglied sexuellen Missbrauch vorgeworfen hat, sorgt sich die WTA-Tour um ihre Sicherheit. Bei den Australian Open trat sie nicht an, es wird aber erwartet, dass die Sommersportlerin bei den Winterspielen öffentlich in Erscheinung tritt.

Für das IOC ist all dies quasi Chinas Privatangelegenheit. "Wir sind keine Weltregierung. Wir müssen die Souveränität der Länder respektieren, die die Spiele ausrichten", sagte IOC-Vize John Coates. Präsident Thomas Bach weicht Fragen stets aus und betont die Neutralität der Olympischen Spiele als oberstes Gebot.

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International kritisieren diese Haltung scharf. Ob und wie Sportler diese Missstände vor Ort öffentlich kritisieren können, ist weitgehend offen. Die Athletenkommission des ÖOC teilte dem STANDARD mit, Aktive seien über die Lage gut informiert, Empfehlungen gebe es aber keine. Im Zweifel: Schweigen ist gesünder.

Foto: REUTERS/Denis Balibouse

Sport: Der Stellenwert von Olympia schrumpft

Parallel-Rennen gab es in der laufenden Ski-Weltcup-Saison bisher nur im Einzel. Der olympische Team-Bewerb steht erst beim Saisonfinale im März in Courchevel an. Eine sogenannte Alpine Kombination gibt es in diesem Winter aber nur bei Olympia. Der Weltverband FIS wird in Zukunft Probleme bekommen, wenn er Medaillen in Disziplinen vergeben will, die man selbst nicht als zukunftsträchtig einschätzt.

Zuletzt gab es außerdem Streit über die Qualifikationskriterien. Startplätze von kleinen Ski-Nationen haben Auswirkungen auf Kontingente großer Verbände aus Österreich, Italien oder den USA.

Abseits vom alpinen Skisport müssen Winterspiele um ihre Relevanz kämpfen – zumindest über die Grenzen Europas hinweg. Die Eishockey-Liga NHL gibt ihren Spielern zum zweiten Mal in Folge für das olympische Turnier nicht frei. Die Spiele gelten als lästige Veranstaltung, Corona war eine willkommene Ausrede: Während der Spiele werden verschobene NHL-Spiele nachgeholt.

Österreich hat jedenfalls 42 Sportlerinnen und 64 Sportler nominiert. Das Ziel des ÖOC ist eine Platzierung in den Top Ten des Medaillenspiegels, dafür braucht es aus den insgesamt 109 Wettkämpfen vermutlich sechs Goldmedaillen. Vor vier Jahren holte das Team 14 Medaillen, davon fünf in Gold. Die Spiele beginnen am 4. und dauern bis 20. Februar. (Lukas Zahrer, 30.1.2022)

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