In Südkorea verfolgte man den erneuten Raketentest genau.

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Start einer Hwasong-12-Rakete, 16. September 2017.

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Seoul/Pjöngjang – Nordkorea hat am Sonntag trotz internationaler Sanktionen seinen vermutlich größten Raketentest seit 2017 durchgeführt. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA verkündete am Sonntagabend, eine Hwasong-12-Rakete sei erprobt worden.

Nach bereits sechs Raketentests heuer feuerte das Land nach Angaben Südkoreas und Japans seit Jahren wieder eine ballistische Mittelstreckenrakete ab, die über eine potenzielle Reichweite von Tausenden Kilometern verfügt. Die USA und ihre Verbündeten Japan und Südkorea verurteilten den Test.

Südkorea protestiert

Der südkoreanische Präsident Moon Jae-in warf der politisch isolierten Führung in Pjöngjang vor, neue Spannungen auf der koreanischen Halbinsel zu schüren. Uno-Resolutionen verbieten der selbst erklärten Atommacht Nordkorea die Erprobung von ballistischen Raketen. Dabei handelt es sich in aller Regel um Boden-Boden-Raketen, die auch einen nuklearen Sprengkopf tragen können.

Nordkorea sei einen Schritt näher zum vollständigen Bruch seines selbst auferlegten Teststopps für Langstreckenraketen gekommen, wurde Moon von seinem Büro zitiert. Die Reihe von sieben Raketentests allein in diesem Monat erinnere an die erhöhten Spannungen von 2017, sagte Moon bei einer Dringlichkeitssitzung des Nationalen Sicherheitsrats in Seoul. Damals hatte Nordkorea neben Tests von Langstreckenraketen auch seinen sechsten und bisher stärksten Atomversuch unternommen.

Kritik aus USA

Nach Ansicht von Experten dienen die bisherigen Raketentests durch Nordkorea in diesem Jahr nicht nur der Weiterentwicklung der Raketentechnik. Pjöngjang will demnach auch Stärke nach innen und außen demonstrieren und womöglich versuchen, Washington zu konkreten Vorschlägen für Verhandlungen zu bewegen.

Die Verhandlungen der beiden Länder über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm kommen seit gut drei Jahren nicht mehr voran. Nach zuletzt neuen Sanktionen der USA gegen sein Land hatte der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un in diesem Monat angedeutet, wieder Interkontinentalraketen und Atombomben testen zu können.

"Die USA verurteilen diese Aktionen und rufen die Volksrepublik (Nordkorea) dazu auf, von weiteren destabilisierenden Handlungen Abstand zu nehmen", hieß es in einer Erklärung des Indo-Pazifischen Kommandos der USA zum jüngsten Raketentest. Dabei habe keine unmittelbare Bedrohung für US-Territorium bestanden.

Details zum Raketentest

Südkoreas Militär teilte mit, bei seinem jüngsten Waffentest habe Nordkorea Sonntagfrüh (Ortszeit) eine Mittelstreckenrakete von der nördlichen Region Chagang an der Grenze zu China abgeschossen. Sie sei etwa 800 Kilometer in Richtung offenes Meer geflogen und habe eine Flughöhe von 2.000 Kilometern erreicht. Sie sei offensichtlich von einem steilen Winkel abgefeuert worden, wodurch sich die Flugdistanz verkürzt habe. Als Mittelstreckenraketen gelten Raketen mit einer Reichweite von 800 bis 5.500 Kilometern.

Erste Bilder des sonntäglichen Tests.

Der Flugkörper sei nach einem etwa 30-minütigen Flug ins Japanische Meer (koreanisch: Ostmeer) gestürzt, zitierte die japanische Nachrichtenagentur Kyodo Regierungssprecher Hirokazu Matsuno. Tokio habe gegen den Test Protest eingelegt.

Vor dem jüngsten Test hatte Nordkorea in diesem Monat nach eigenen Angaben neben Raketen von einem Zug aus auch Marschflugkörper und Hyperschallwaffen erprobt. Im Gegensatz zu ballistischen Raketen verfügen Marschflugkörper über einen permanenten eigenen Antrieb. Sogenannte Hyperschallgleiter können von einer ballistischen Rakete gestartet werden. Hyperschallraketen können wegen ihrer hohen Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit nur schwer abgefangen werden.

Nordkorea als selbsterklärte Atommacht

Die kommunistische Führung in Pjöngjang treibt seit Jahren vor allem die Entwicklung von Raketen voran, die mit Atomsprengköpfen ausgerüstet werden könnten. Es ist deswegen harten internationalen Sanktionen unterworfen. Nach eigenen Angaben verfügt das Land auch über Raketen, die US-Festland erreichen. Angesichts der Kritik an seinen Raketentests beansprucht Nordkorea für sich, damit unter anderem sein Recht auf Selbstverteidigung auszuüben. Das Land hat sich selbst zur Atommacht erklärt. Sein Status gilt aber wegen der Verhandlungen mit den USA international als unklar. (APA, 30.1.2022)