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Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dürften bestimmte Themen in Sidelettern abgehandelt haben.

Foto: REUTERS/Georges Schneider

Wien – Der am Wochenende bekannt gewordene Sideletter zum Koalitionsvertrag zwischen ÖVP und Grünen, in dem diverse Personalentscheidungen detailliert vereinbart wurden, enthält auch eine Abmachung zum ORF. Wie aus dem der APA vorliegende Papier hervorgeht, haben die Grünen das Vorschlagsrecht für den Stiftungsratsvorsitzenden. Gleichzeitig wird darin auch die Einführung eines Kopftuchverbots für Lehrerinnen festgehalten.

Absprachen

Die Tageszeitungen "Kurier", "Kronen-Zeitung" und "Österreich" berichten dazu am Sonntag unter Berufung auf Insider, dass es einen Deal zum Abtausch dieser beiden Themen gegeben habe. Die Grünen wollten demnach das Kopftuchverbot nur in der Nebenabsprache und nicht im Koalitionsvertrag, weil es bei der Öko-Partei heftig umstritten war. Dafür soll den Insidern zufolge der ehemalige grüne Bundesparteisekretär Lothar Lockl heuer zum Nachfolger von Norbert Steger (FPÖ) zum Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrates gewählt werden.

Wörtlich heißt es in dem der APA vorliegenden Papier: "Bezüglich der Zusammenarbeit im ORF-Stiftungsrat wird auf die Vereinbarung der Vorsitzenden der Freundeskreise der Koalitionspartner verwiesen. Die Grünen haben das Vorschlagsrecht für den Stiftungsratsvorsitzenden, wenn dieser zur Wahl steht." Und bezüglich Kopftuch wird darin festgehalten: "Im Wirkungsbereich des Bildungsministeriums wird im Wege des Erlasses ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen im Laufe der Legislaturperiode eingeführt."

Hebein zu Sideletter: "Irritierend"

Am Sonntagnachmittag äußerte sich die vormalige Wiener Grünen-Chefin Birgit Hebein zum Sideletter. Sie war Mitverhandlerin der türkis-grünen Koalition. Hebein schrieb auf Twitter, dass ihre Partei in den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP das Kopftuchverbot für Lehrerinnen "wegverhandelt" habe. "Dass dies in einem Sideletter auftaucht, ist mir neu." Es sei irritierend, dass "inhaltliche Positionen über den Sideletter ausverhandelt und weder TeilnehmerInnen des Verhandlungsteams noch den Delegierten des Bundeskongresses vorgelegt wurden:"

Neos kritisieren Regierung

Die schon zuvor bekannt gewordenen Personalvereinbarungen vom Justizbereich über den EU-Kommissar, die Nationalbank und die Finanzmarktaufsicht bis zu Bundesbeteiligungen haben bereits am Samstag sowohl Kanzer Karl Nehammer (ÖVP) als auch Grünen-Chef Werner Kogler verteidigt.

Heftige Kritik daran kam am Sonntag von den Neos "Man kann mit guten Gründen für oder gegen ein Kopftuchverbot argumentieren, aber niemals kann man ein so sensibles Thema zur Verhandlungsmasse im Postenschacher machen", sagte Integrationssprecher Yannick Shetty. "Solche ,Deals' sind grundsätzlich schäbig, aber ein Abtausch Kopftuchverbot für Lehrerinnen gegen einen Top-Job im ORF schlägt dem Fass den Boden aus." Vizekanzler Werner Kogler sei es offenbar bewusst gewesen, "dass es sich um ein schmutziges Geschäft handelte", weil er es im Sideletter versteckt habe. "Das hat mit Anstand und sauberer Politik gar nichts mehr zu tun", sagte Shetty. (APA, 30.1.2022)