Der MFG-Wahlkampf in Waidhofen war wegen des Lockdowns für Ungeimpfte eingeschränkt – Flyer bei einem Marktstand waren aber möglich.

Foto: christian fischer

Bürgermeister Werner Krammer (Volkspartei) musste den Verlust der absoluten Mehrheit hinnehmen.

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Entweder hat die impfgegnerische Partei Menschen – Freiheit – Grundrechte (MFG) vor der Wahl tiefgestapelt, oder sie rechnete tatsächlich selbst nicht mit so einem Erfolg: "Der Einzug in den Stadtsenat wäre schön", hatte sich Wolfgang Durst im Interview mit den Niederösterreichischen Nachrichten als Ziel gesteckt – er war Spitzenkandidat für die MFG bei der Gemeinderatswahl in Waidhofen an der Ybbs am Sonntag. Mit 17 Prozent der Stimmen landet die MFG aber nicht nur aus dem Stand auf dem dritten Platz, sondern erhält sogar zwei Sitze in der Stadtregierung.

"Wir sind selber auch überrascht", sagt Durst zum STANDARD. Wer die beiden Plätze im Stadtsenat besetzen wird, würde noch intern ausgemacht. Für eine Regierungsbeteiligung stehe man zwar bereit, aber "ich gehe davon aus, dass wir da eher ausgeschlossen werden". Durst sagt, er wolle sich jedenfalls um Gespräche mit den anderen Parteien bemühen – wenn der Schock vor allem bei der Waidhofner Volkspartei erst einmal verdaut ist. "Einige Gesichter sind jetzt kreidebleich", sagt Durst, der im Brotberuf beim Bundesheer arbeitet.

Denn mit einem dermaßen guten Abschneiden der neuen Partei hatte kaum jemand gerechnet. Bei den Landtagswahlen in Oberösterreich etablierte sich die MFG zuerst – und dort gab es nur eine Gemeinde, Maria Neustift mit 19 Prozent, in der die MFG einen größeren Stimmenanteil einfuhr.

"Impfpflicht-Wahl"

Was ist da am Sonntag in Waidhofen passiert? Die Volkspartei von Bürgermeister Werner Krammer stürzte von 60 auf 41 Prozent ab. "Es war wohl die erste ‚Corona- und Impfpflicht-Wahl‘, die wir in ganz Österreich erlebt haben", sagte Krammer am Wahlabend. Wie geht es in der Stadt nun politisch weiter? Sucht sich Krammer nach dem Verlust der Absoluten einen fixen Koalitionspartner?

Krammer sagt zum STANDARD, es gehe nun darum, in Gesprächen mit den anderen Parteien "ein gemeinsames Zukunftsbild für die nächsten fünf Jahre zu entwerfen, das unstrittig ist und breit getragen wird". Dafür will der Bürgermeister Gespräche führen. Auch eine Koalition mit der MFG will er nicht explizit ausschließen – mit wem zusammengearbeitet wird und mit wem nicht, "kommt auf die konkreten Gespräche an".

Interesse in St. Pölten

In der schwarzen Landespartei will man das Ergebnis nun genau analysieren – immerhin steht die nächste Landtagswahl (regulär) Anfang 2023 bevor, und auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will ihre absolute Mandatsmehrheit verteidigen.

Die ersten Schlüsse in St. Pölten gehen in die Richtung, das Ergebnis nicht überbewerten zu wollen. Zunächst sei das Timing für die ÖVP besonders ungünstig gewesen: Die Wahl fand kurz vor Inkrafttreten der Impfpflicht statt. Darüber hinaus sei Waidhofen regional nahe an Oberösterreich, wo es – aus welchen Gründen auch immer – eine solide Basis an impfskeptischen Menschen gibt. Die MFG zog bei den Wahlen im Herbst mit sechs Prozent in den dortigen Landtag ein. Die Impfquote in Waidhofen liegt mit 67 Prozent viel näher an der oberösterreichischen (68 Prozent) als an der niederösterreichischen (74 Prozent).

Keine MFG bei übrigen Wahlen

Für die These, dass Waidhofen politisch eben nahe an Oberösterreich liegt, spricht: Auch in den Gemeinden Au am Leithaberge (Bezirk Bruck an der Leitha) und Obersiebenbrunn (Bezirk Gänserndorf) wurde gewählt – in beiden kandidierte die MFG nicht. In Au rang die Volkspartei einer Bürgerliste den ersten Platz ab, in Obersiebenbrunn legte sie leicht zu, blieb aber auf Platz zwei hinter der SPÖ.

Erwartungsgemäß in Feierlaune befindet sich die noch in Aufbau befindliche MFG-Bundespartei: Ihr Waidhofener Ableger hätte die Gemeinderatswahl "gerockt" und das "ausgerechnet" in der Heimatgemeinde von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). "Wer Grundrechte einschränkt und die Bevölkerung spaltet, wird Wahlniederlagen ernten", sagt Parteichef Michael Brunner. (Sebastian Fellner, 31.1.2021)

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