Gute Freunde: Präsident Wladimir Putin und Ex-Kanzler Gerhard Schröder.

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Schon Montagfrüh war es dem neuen SPD-Chef Lars Klingbeil wichtig, eines deutlich zu machen. "Es ist völlig klar für uns: Wir erleben eine Eskalation, die von Russland ausgeht", sagte er im Morgenmagazin von ARD und ZDF.

Zu dieser Klarstellung sah er sich offenbar genötigt, weil einige Genossen in letzter Zeit den Russland-Ukraine-Konflikt etwas anders bewertet haben – allen voran Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der bekanntlich ein guter Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin ist und zudem Aufsichtsratsvorsitzender des Ostee-Pipeline-Betreibers Nord Stream AG sowie des teilstaatlichen russischen Gaskonzerns Rosneft.

Schröder hatte beklagt, dass derzeit kaum ein Tag ohne eine "Drohung an Russland" vergehe. Und er kritisiert die Bitten der Ukraine nach Waffenlieferungen aus Deutschland: "Ich hoffe sehr, dass man endlich auch das Säbelrasseln in der Ukraine wirklich einstellt."

Doch der Altkanzler ist nicht der Einzige, der in der SPD als "Putin-Versteher" gilt. So hört der Parteilinke Ralf Stegner, der früher SPD-Fraktionschef in Schleswig-Holstein war und nun im Bundestag sitzt, eine "beunruhigende Tonlage" in deutschen Kommentaren zu Russland und sieht darin ebenfalls "verbales Säbelrasseln".

Kreml-Analyse nachvollziehbar?

Fraktionschef Rolf Mützenich erklärt: "Gedanklich kann ich die russische Bedrohungsanalyse nachvollziehen, auch wenn ich sie nicht teile." Anders als beim grünen Koalitionspartner, gibt es bei vielen in der SPD auch gegenüber der Pipeline Nord Stream 2, die russisches Gas nach Deutschland und Europa bringen soll, keinen Widerstand. Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, hofft, dass die Pipeline bald in Betrieb geht. Generalsekretär Kevin Kühnert meint, man dürfe potenzielle, internationale Konflikte, also einen möglichen Angriff Russlands auf die Ukraine, nicht herbeireden, "um Projekte auf diesem Wege zu beerdigen, die einem schon immer ein Dorn im Auge waren".

Selbst Kanzler Olaf Scholz hatte im Dezember Nord Stream 2 noch als "privatwirtschaftliches Projekt" bezeichnet. Vor rund 14 Tagen schwenkte er dann um und wollte Sanktionen im Falle einer russischen Aggression gegen die Ukraine nicht mehr ausschließen. In diesem Falle sei "alles zu diskutieren".

Von der "Russlandobsession" der Sozialdemokraten war in der Zeit die Rede, der Spiegel konstatierte: "Die SPD hat ein Russland-Problem."

Wandel durch Annäherung

"Wandel durch Annäherung" lautete in den Siebzigerjahren, während des Kalten Kriegs, das Credo der Ostpolitik des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt (SPD) und seines Beraters Egon Bahr. Sie setzten nicht auf Härte, sondern auf Entspannungspolitik, dem sehen sich viele in der SPD immer noch verpflichtet. Doch das politische Weltbild war damals ein anderes, und so sorgt sich Klingbeil nun doch, dass die SPD aktuell als zu "Putin-freundlich" wahrgenommen wird. Am Montagnachmittag hat er führende Sozialdemokraten daher zu einem "Russland-Gipfel" gebeten.

Der SPD-Chef versuchte auch, Kritik zu zerstreuen, dass Scholz nicht deutlich genug sei: "Wenn der Kanzler sich hinstellt und sagt, alle Optionen liegen auf dem Tisch, sollte von Russland die territoriale Integrität der Ukraine angegriffen werden, dann ist das klar und unmissverständlich. Das ist eine deutliche Ansage gegen Russland."

Und zu Schröders Einlassungen erklärte Klingbeil: "Äußern können sich viele, aber entscheiden tun wir als aktuelle SPD-Führung gemeinsam mit Bundeskanzler Scholz."(Birgit Baumann aus Berlin, 1.2.2022)