In der Fortsetzung des Netflix-Hits "Tyler Rake: Extraction" zieht es Hauptdarsteller Chris Hemsworth auf die Wiener Donauplatte.

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Dort ist die Action noch überschaubar

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Die letzte lange Hollywoodproduktion war "Mission Impossible".

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Szenen für "Red Sparrow" wurden hingegen an nur einem Tag abgedreht – beides spielte im Ersten.

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Fans von lauten Explosionen, Verfolgungsjagden und am Himmel kreisenden Hubschraubern könnten dieser Tage in der Wiener Donaustadt auf ihre Kosten kommen – sofern sie zur richtigen Zeit dort sind. Auch ein Interesse an nordischer Mythologie oder Superheldinnen könnte – mit viel Glück – auf der Donauplatte gestillt werden. Denn da wird aktuell und insgesamt 18 Tage lang der zweite Teil des Netflix-Erfolges Tyler Rake: Extraction gedreht. Wieso der Action-Film gerade dort, zwischen der Impfstraße im Austria Center und Donau, gefilmt wird? Dem Produktionsteam soll der DC Tower so gut gefallen haben, tatsächlich. Wie Hauptdarsteller Chris Hemsworth – genau, das ist der Thor des Marvel-Universums, der 2014 zum Sexiest Man Alive gewählt wurde – die Donauplatte findet, ist bisher nicht überliefert.

Teil 1 war schon sehr dramatisch.
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Gedreht wird jedenfalls noch bis 14. Februar, täglich von 7 bis 18 Uhr müssen sich die Anrainerinnen, Angestellten und Passanten mit der Produktion arrangieren und mit kurzzeitigen Sperren vor der Tür, den Geräuschen, die so ein Schusswechsel mit sich bringt, oder jenen von quietschenden Reifen rechnen.

Kinder evakuiert

Der Lärm, die Explosionen, die Hektik, die so einen Dreh ausmachen – das sind auch die Gründe dafür, wieso ein Kindergarten vorübergehend dichtgemacht hat. Den Erziehungsberechtigten wurde für diese Zeit ein Angebot gemacht: Wenn sie zwei Wochen eine andere Betreuung für ihren Nachwuchs organisieren, erhalten sie pro Kind und Tag 120 Euro. Denn nicht nur die Geräusche könnten die Kleinen erschrecken, auch was dort zu sehen ist: Denn die Fassaden des Kiwi-Kindergartens im Haus der Strabag sind komplett aus Glas. Für die Stadt geht das in Ordnung. Dem privaten Kindergarten stünde es natürlich frei, zu tun, was er möchte. Auch die MA 11 hat kein Problem mit dem Angebot, die Kinder zu Hause zu lassen. "Dass Geld bezahlt wird, ist eine Randerscheinung", heißt es aus dem Büro des zuständigen Bildungsstadtrats Christoph Wiederkehr (Neos). Hinzu käme außerdem, dass aufgrund der aktuellen Omikron-Welle das verpflichtende letzte Kindergartenjahr ausgesetzt sei, was der "einzige rechtliche Knackpunkt" an einer solchen Maßnahme wäre.

Laufen die Kameras, dann muss der Alltag auf der Platte also warten. "Wenn gedreht wird, sperren wir vorne die Türen zu und müssen den Hintereingang benutzen", erzählt die Verkäuferin in einer Bäckerei, die direkt ans Filmset angrenzt. Vor ihrem Eingang stehen schon die ersten Bühnenbilder: ein Souvenirshop, der zum Ärger einer Passantin Kuckucksuhren als Wiener Erinnerungen verkauft, eine Blumenhandlung mit Kunstrosen oder ein traditioneller Brezenstand. Kaugummiautomaten gibt es auch – in diese kann man übrigens noch Schillinge einwerfen.

Gitter und Westen

Wären die Absperrgitter nicht und würden nicht überdurchschnittlich viele Menschen in gelben Warnwesten das Treiben beobachten, man würde kaum auf die Idee kommen, dass nur eine Ebene weiter unten, wo ein Haufen dunkler Autos mit offenen Türen herumsteht, gerade Regieanweisungen gegeben würden.

Die Wiener Polizei ist nur am Rande eingebunden. Einsatzkräfte sind zwar vor Ort, aber "nicht federführend" eingesetzt, heißt es dort. Für Sicherheit und dafür, dass alle Auflagen eigenhalten werden, sorgt auch die Feuerwehr – Stichwort Pyrotechnik: "Über die Größenordnung und nähere Angaben zu den Effekten" darf man aber keine Auskunft geben. Nur so viel ist Brandkommissär Jürgen Figerl zu entlocken: "Sie können darauf vertrauen, dass entsprechende Vorsichtsmaßnahmen für die Dreharbeiten getroffen werden."

Diese wie auch alle anderen Details sind bereits seit Monaten in Planung, erzählt Marijana Stoisits, Geschäftsführerin der Vienna Film Commission – der Anlaufstelle für Dreharbeiten in der Stadt. Stoisits wirbt im Ausland für Wien als Drehort. Das bringt der Stadt Geld. Rund fünf Millionen Euro kommen durch den Netflix-Filmdreh herein – durch Hotelreservierungen, Zulieferer und Ähnliches. Aber es gibt auch andere Gründe, wieso man Wien auf internationalen Leinwänden sehen will: "Österreichs Wirtschaftsleistung lebt ja vom Tourismus", sagt Stoisits. "Der lag zuletzt wegen Corona darnieder – da muss sich dringend was tun." Gut fürs Image ist, dass in der Fortsetzung von Extraction der Drehort Wien im Film auch Schauplatz ist. Das ist nämlich nicht immer der Fall. Auch gut: dass es eine andere Seite von Wien zeigt. Rund ein Fünftel der Drehs findet nämlich im ersten Bezirk statt.

Große Drehs sind Ausnahme

"Für eine Stadt unserer Größe finden gar nicht so wenige Drehs statt", sagt Stoisits. Vor allem, wenn man bedenke, dass es keine Förderung für Streamingproduktionen in Österreich gebe. Wobei so große und lang andauernde Dreharbeiten schon eher die Ausnahme sind. Insgesamt sind am Set mehr als 600 Personen beschäftigt, davon 100 österreichische Filmschaffende, erzählt Stoisits und zählt weiter auf: 160 Komparsen, 25 Spielfahrzeuge, 100 Teamfahrzeuge, diverse Technik. "Dazu kommen noch die vielen Absperrer, die man für den Dreh braucht." Ach ja, und die Feuerwehr, die garantiert nicht nur die Sicherheit, sondern spielt an einem Tag sogar selbst mit – inklusive eines Boots.

Die letzte Produktion in diesem Ausmaß: Mission Impossible – Rogue Nation. Wobei hier ein ganz anderes Problem hinzukam, das sich Extraction erspart: die Wiener Linien. Wird am Ring oder in einer U-Bahn-Station gedreht, müssen die Öffis gesperrt werden.

Weniger Aufwand war etwa die Abschlussszene von Black Panther – hier sind wir wieder bei den Marvel-Superhelden. Da sieht man im Hintergrund die Skyline der Donaustadt. Allerdings war das lediglich ein Establishing Shot – eine Überblicksaufnahme, ohne Stars und großes Set. (Oona Kroisleitner, Doris Priesching, 1.2.2022)