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Das im Urlaub 1995 aufgenommene Privatvideo von Pamela Anderson und Tommy Lee will der Dieb just zu jener Zeit auf den Markt bringen, als das noch junge Internet ganz neue Möglichkeiten verspricht.

Foto: AP / Erin Simkin / Hulu

Mit Rockstars hat man es auch nicht immer leicht. Schon gar nicht, wenn sie das Schlafzimmer in einen Liebestempel verwandeln wollen. Das Bett sollte bitte eine "Rundumsicht" auf die Dusche gewähren! Oder stünde es nicht doch besser zehn Meter weiter links? Ach ja, ein Wasserbett sollte es schon sein. Kein Wunder also, dass der Handwerker, der die Wünsche im Minutentakt in die Realität umsetzen sollte, irgendwann die Nerven verliert. Erst recht, wo die vom Auftraggeber ins Treffen geführte Ansage "MINO – money is no object" hier weniger heißt, dass Geld kein Problem ist, als dass die Bezahlung fürs Erste ausbleibt.

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Wenn der frustrierte Handwerker Rand Gauthier, von Seth Rogen als an sich gutmütiger Loser gespielt, in der ersten Folge von "Pam & Tommy" schließlich zur Rache schreitet, ist ihm vorerst einiges an Sympathie sicher. Umso mehr, als der Racheakt, nämlich der Diebstahl eines Tresors aus dem Heimstudio von Mötley-Crüe-Schlagzeuger Tommy Lee, nicht arm an Slapstick ist. Dass sich im Geldschrank ein privates Sexvideo des Musikers mit "Baywatch"-Star Pamela Anderson findet, das um die Welt gehen wird, ist zunächst nicht abzusehen. Die achtteilige Serie, zu sehen auf Disney+, die diese Geschichte erzählt, präsentiert dabei gerne das scheinbar Offensichtliche, um es dann aus einem neuen Blickwinkel zu zeigen.

Gespür für Außenseiter

Sein Gespür für Außenseiter und Satire hat Regisseur Craig Gillespie schon bei der Tragikomödie "Lars und die Frauen" oder bei "I, Tonya", der großartigen Filmbiografie über die Eiskunstläuferin Tonya Harding, unter Beweis gestellt. Rand lernen wir in "Pam & Tommy" nicht nur als Handwerker und als Hobby-Theologen kennen, sondern auch als einstigen, eher glücklosen Pornodarsteller, der keine Skrupel hat, ein gestohlenes Privatvideo zu Geld zu machen. Umgekehrt bleibt Tommy Lee nicht ganz der Ungustl, als der er zunächst eingeführt wird.

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Lily James ("Downton Abbey") gelingt es tatsächlich, sich Pamela Anderson nicht nur äußerlich anzuverwandeln, sondern sie uns als vorverurteilte, wesentlicher Rechte beschnittene Frau näherzubringen.
Foto: AP / Erin Simkin / Hulu

Anders als die Netflix-Adaption der berühmt-berüchtigten Mötley-Crüe-Biografie "The Dirt" interessiert sich "Pam & Tommy" nur sehr am Rande für die Exzesse der kalifornischen Heavy-Metal-Haudegen. Schon in "Dirt" war Tommy Lee als schwanzgesteuerter Romantiker mit einem Hang zu falschen Entscheidungen zu sehen. In "Pam & Tommy" wird er ebenso stimmig von Sebastian Stan "con mucho gusto" als eine Art liebenswerter Höhlenmensch verkörpert. Sein vielleicht nicht bestes, aber sicher berühmtestes Stück lernen wir dank digitaler Animation als sprechenden Penis kennen, der seinem Herrn das schlechte Gewissen austreiben will.

Vorwand "öffentliches Interesse"

Dass "Pam & Tommy" witzemäßig also nichts anbrennen lässt – auch Handwerker Rand wird natürlich mit Nagelmetaphern vorgestellt –, bekommt der Serie aber nicht schlecht. Sind alle erst einmal ohne falsche Betulichkeit oder Moralinsäure ins Boot geholt, wird kein Zweifel daran gelassen, wem hier unter dem Vorwand "öffentlichen Interesses" wirklich übel mitgespielt wurde.

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Tommy Lee (Sebastian Stan) bleibt nicht ganz der Ungustl, als der er zunächst eingeführt wird.
Foto: AP / Erin Simkin / Hulu

Lily James ("Downton Abbey") gelingt es tatsächlich, sich Pamela Anderson nicht nur äußerlich anzuverwandeln, sondern sie uns als vorverurteilte, wesentlicher Rechte beschnittene Frau näherzubringen. Dass Anderson im Kampf um Privatsphäre ob ihres Images als blonde Sexbombe so gut wie chancenlos war, wird einem nicht nur in ebenso plausiblen wie niederschmetternden Szenen klar, die sie im demütigenden Verhör mit einem Anwalt zeigen. Selten hat die Berufung auf die Pressefreiheit einen so bitteren Beigeschmack, wie wenn "Penthouse"-Boss Bob Guccione sie als Argument für die Veröffentlichung gestohlener Privatbilder in den Mund nimmt.

Geradegerückt

Wie sehr es "Pam & Tommy" schafft, die Sicht auf Anderson zu verändern, zeigt sich besonders dann, wenn ein Auftritt der Schauspielerin bei Talkshow-Host Jay Leno vom Anfang der Serie gegen Ende noch einmal zu sehen ist. Anderson ist dann keine wandelnde Punchline mehr, sondern eine oft zu gutgläubige Frau, die Jane Fonda dafür verehrt, dass sie den Wandel vom Sexsymbol zur selbstbestimmten Schauspielerin und Aktivistin geschafft hat. Zu den erstaunlicheren Einsichten von "Pam & Tommy" gehört es auch, wenn ein Frauenduo plausibel auf der Besonderheit jener Szenen insistiert, die Pamela Anderson von dem berühmt gewordenen Urlaubsvideo selbst gefilmt hat.

Die Serie erzählt aber, garniert mit wunderbaren Soul- und R&B-Songs, nicht nur von einer schlagzeilenträchtigen Liebes- und Kriminalgeschichte, sondern auch von einem epochalen Medienwandel. Das im Urlaub 1995 aufgenommene Privatvideo will der Dieb just zu jener Zeit auf den Markt bringen, als das noch junge Internet ganz neue Möglichkeiten verspricht. Wird das World Wide Web anfangs nur dazu genutzt, den Verkauf von VHS-Kopien weltweit und noch dazu gratis zu bewerben, dauert es nicht allzu lang, bis das Sexvideo in Form pixeliger Bewegtbilder im Netz auftaucht – mit Folgen, die zu diesem Zeitpunkt kaum jemand realistisch abschätzen konnte.

Natürlich lohnt es sich auch hier zu schauen, wohin das Geld geflossen ist. Während Pamela Anderson der Serienerzählung nach darauf bestand, die Rechte gratis abzugeben, kassierte der mittlerweile geläuterte Handwerker für das Originalband 10.000 Dollar, die er des Karmas wegen an seine Ex-Frau weiterreichte. Das große Geld machte indessen die Pornoindustrie: 15 Millionen Dollar hat Seth Warshavsky für die DVD-Rechte an einem Privatvideo eingestreift, das bis heute rund 77 Dollar Millionen Umsatz generiert haben soll. (Karl Gedlicka, 2.2.2022)