Stimme der Vernunft: Rudy Giuliani.

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In den Dezembertagen 2020, als Donald Trumps Amtsverlust immer deutlichere Formen annahm, soll der damalige US-Präsident konkreter als bisher bekannt über den Einsatz staatlicher Gewalt zum Umsturz des Wahlergebnisses nachgedacht haben. Das geht aus einem Bericht der "New York Times" hervor, der auf Basis neuer Aussagen Details über die Pläne präsentiert. So habe Trump nicht nur – wie bisher bekannt – beim Justizministerium eine Konfiszierung von Wahlmaschinen in wahlentscheidenden Staaten gefordert, sondern sich auch bei Pentagon und Heimatschutzministerium über entsprechende Möglichkeiten informiert.

In allen drei Fällen sollen Berater, Minister und hohe Beamte den Plänen allerdings eine Absage erteilt haben. Im Falle des Justizressorts habe Minister William Barr dem Präsidenten demnach mitgeteilt, dass es keinen naheliegenden Verdacht auf Wahlfälschungen gebe und eine Konfiszierung daher vor Gericht keinen Bestand haben werde. Vor einem Einsatz des Pentagons warnte laut der "New York Times" ausgerechnet Trumps sonst eher schriller Berater, der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani. Das Militär könne nur zum Einsatz kommen, wenn es klare Belege für einen Beeinflussung der Wahl aus dem Ausland gebe – ansonsten drohe in diesem Fall ein Impeachment-Verfahren. Und im Heimatschutzministerium wies der amtsführende stellvertretende Minister Kenneth Cuccinelli das Vorhaben zurück.

Begnadigung für Kapitol-Stürmer

Die neuen Enthüllungen sind auch deshalb brisant, weil Trump rund ein Jahr nach dem Sturm auf das Kapitol, mit der Trump-Anhänger die Zertifizierung des Wahlsiegs von Joe Biden gewaltsam verhindern wollten, weiter an der Umdichtung der Geschichte arbeitet. Mit Erfolg: Die damals weithin verurteilte Aktion, die ihm unter anderem tatsächlich ein zweites (erfolgloses) Impeachment-Verfahren bescherte, wird mittlerweile nicht nur von ihm selbst, sondern auch von großen Teilen der republikanischen Partei als "friedlicher Protest" bewertet. An Trumps Lügen von einer angeblich gestohlenen Wahl glaubt nicht nur eine Mehrheit der Republikaner, sondern auch fast die Hälfte der unabhängigen Wählerinnen und Wähler. Bei einer Kundgebung in Texas kündigte der frühere Präsident jüngst eine Begnadigung der mittlerweile verurteilten Kapitol-Stürmer an, sollte er 2024 erneut ins Präsidentenamt gewählt werden.

Im Dezember sorgte zudem eine Powerpoint-Präsentation für Aufregung, die jenem Kongresskomitee zugespielt wurde, das den Kapitol-Sturm untersucht. In der Präsentation, die in den E-Mails von Ex-Stabschef Mark Meadows zu finden war, werden umfangreiche Verschwörungstheorien über angebliche Manipulation der Wahl durch China vorgelegt. Zudem wird darin unter anderem die Ausrufung des Notstands durch Trump vorgeschlagen. Allerdings gibt es keine Belge dafür, dass ein derartiges Dokument bis zu Trump gelangt sei oder dass dieser den Plänen habe nähertreten wollen.

Das zuständige Kongresskomitee hat auch zahlreiche Personen aus der ehemaligen Trump-Regierung vorgeladen. Neben vielen Absagen, die es bisher gab, wurde am Dienstag eine prominente Vorladung bekannt: Marc Short, der ehemalige Stabschef von Ex-Vizepräsident Mike Pence, kam einer Zwangsvorladung des Komitees nach. Ebenso soll die frühere Sprecherin Trumps, Kayleigh McEnany, Textnachrichten vom Tag des Kapitol-Sturms an das Komitee übermittelt haben. (mesc, 1.2.2022)