3D-Sound, der von einer Quelle ausgeht: Das Lautsprechersystem Iko ging aus den Forschungen der Kunstuniversität Graz hervor.

Foto: Sonible GmbH

Bekanntlich orientieren sich Menschen nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Ohren: So lassen sich mithilfe von Klängen – etwa durch die Abstände von Schallquelle und Zuhörer – Räume ebenso sinnlich erfassen und vermessen.

Derartige Zusammenhänge untersucht das Institut für Elektronische Musik und Akustik (IEM) der Kunstuniversität Graz (KUG). "Die Forschungsfelder reichen von der Klangsynthese bis zur Liveelektronik, von der Raumakustik bis zur Klangwiedergabe, von der Sonifikation bis zu Klanginstallationen", fasst Institutsleiter Robert Höldrich zusammen. "Die meisten Fragestellungen haben sowohl eine naturwissenschaftliche als auch eine künstlerische Komponente – das ist ein hoch interdisziplinäres Feld."

Solch eine Synthese sorgte in Graz ebenfalls für die Initialzündung zur Beschäftigung mit dem Zusammenhang von Raum und Klang: Im Zuge der Uraufführung der Oper Bählamms Fest der österreichischen Komponistin Olga Neuwirth bei den Wiener Festwochen im Jahr 1999 widmeten sich die Forscherinnen und Forscher erstmals der dreidimensionalen Soundwiedergabe: "Es ging darum, während der Aufführung Klang im Raum zu verteilen", erinnert sich Höldrich. "Das war unser Startpunkt, uns mit der dreidimensionalen Wiedergabe durch Lautsprecher und Kopfhörer auseinanderzusetzen."

In den mittlerweile fast 25 Jahren seitdem habe man vor allem in drei Bereichen große Erfolge erzielt: So wurde ein System entwickelt, mit dem die Verteilung von Lautsprecherkuppeln über einem Publikum dreidimensional auf einfache Weise und qualitativ hochwertig gesteuert werden kann.

Bewegter Sound

Des Weiteren hat man noch andere Innovationen im Bereich dieser Technik auf den Weg gebracht: Mit dem Lautsprechersystem Iko wurde eine Technologie entwickelt, die an einem Punkt im Raum Töne in unterschiedliche Richtungen abstrahlen und somit von einer einzigen Stelle aus einen 3D-Klang erzeugen kann. Aus dieser Forschungsarbeit ist das Grazer Start-up Sonible entstanden, das das Gerät seit mehreren Jahren auch kommerziell anbietet.

Ein drittes stabiles Standbein im Bereich der Weiterentwicklung von 3D-Sounds sei am IEM zudem die Kopfhörerwiedergabe, sagt Höldrich. Die Grundüberlegung war dabei: Normalerweise hört man Klänge über Kopfhörer deutlicher und besser. Jedoch verändert sich die Schallsituation nicht, wenn man zum Beispiel den Kopf bewegt — was nicht der natürlichen akustischen Wahrnehmung entspricht.

Für Musikhörer mag es zwar ein Vorteil sein, dass die Wiedergabe durch solche Bewegungen nicht verändert wird, jedoch wird die technologische Reproduktion eines solchen realistischen Klangerlebnisses zunehmend nachgefragt – vor allem im Bereich der virtuellen Realität. "Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch eine Menge von Menschen, die miteinander sprechen. Jemand, der zuerst links von Ihnen war, ist ein paar Schritte weiter woanders, wodurch Sie dieselbe Person aus einer anderen Perspektive hören", sagt Höldrich. "So etwas möglich zu machen – vor allem im Hinblick auf Augmented-Reality-Anwendungen – wird die Herausforderung sein."

Mit einzelnen Objekten und Akteuren sei das durchaus schon realisierbar. Höldrich hofft aber, dass man irgendwann auch komplexere klangliche Szenarien virtuell nachstellen kann: Denkbar sei etwa, dass man virtuell als Zuhörer während einer Orchestervorführung durch den Konzertsaal geht und an jedem Sitz den jeweiligen Klang zu hören bekommt wie in der Wirklichkeit.

Akustische Szenen

"Das Fernziel ist, erleb- und durchschreitbare akustische Szenen zu schaffen", erklärt Franz Zotter, der die 3D-Sound-Forschung an der KUG leitet. "Grundsätzlich beschäftigen wir uns mit der Frage: Wie bringt man rundum bewegliche Objekte auf eine akustische Anzeige? Da hängt eine Menge Grundlagenforschung technischer, mathematischer, aber auch psychoakustischer Natur dran."

Daraus folgt, dass diese Innovationen nicht so schnell Marktreife erlangen. Im Bereich des 3D-Sounds setzen aber derzeit einige der großen Techkonzerne die Entwicklung stark in Bewegung: Seit Ende letzten Jahres versuchen Apple und Amazon, mit einem wachsenden 3D-Sound-Angebot Streaming-Marktführer Spotify das Wasser abzugraben – womit wohl ebenfalls die Nachfrage von dafür geeigneten Kopfhörern steigen wird.

Auch für den Bereich der virtuellen Realität steht für Zotter die Kopfhörertechnologie weiter im Fokus: "Wir überlegen derzeit, wie man es schafft, wenn jemand ein Head-Mounted-Display trägt, um 3D-Videos anzusehen, dass die zugehörige akustische Szene der Außenwelt auch deutlich von außerhalb des Kopfhörers zu kommen scheint."

Es gebe es schon länger einige Tricks, die müssten jedoch noch verfeinert werden. "Dazu kann man nicht Signale nehmen, die sonst zwei Lautsprecher abspielen, die vor einem stehen, sondern man muss auch bedenken, dass der Klang mit verschiedenen Laufzeiten und Klangfarben an den beiden Ohren ankommen muss", gibt Höldrich ein Beispiel.

"Wenn diese Dinge aber mitberücksichtigt werden und auch dynamisch so verändert sind, dass alle Richtungen mit diesen Färbungen, Laufzeiten und Amplitudenunterschieden an den Ohren erscheinen, dann bringt man durchaus schon recht realistische Dinge zusammen." Davon wird man bestimmt bald noch mehr hören. (Johannes Lau, 5.2.2022)