In ihrem Gastblog analysieren die Juristen Lukas Feiler und Silvia Grohmann die neuen strengeren EU-Regeln für Tech-Konzerne.

Ende Jänner verabschiedete das EU-Parlament den Digital Services Act, mit dem erklärten Ziel, die rechtlichen Gegebenheiten an die technische Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte, also seit Inkrafttreten der E-Commerce-Richtlinie im Jahr 2000, anzupassen. Dabei soll der neue Digital Services Act das bisherige Regelwerk für Onlinedienste zwar nicht ersetzen, es jedoch um weitere Pflichten, insbesondere für Hosting-Provider, ergänzen und als Verordnung zur Rechtsvereinheitlichung beitragen.

Anwendungsbereich der Verordnung

In Ergänzung zur E-Commerce-Richtlinie soll auch die neue Verordnung für Anbieter reiner Durchleitung, für Anbieter von Caching-Leistungen sowie für Anbieter von Hosting-Diensten gelten und führt dabei den Überbegriff der "Vermittlungsdienste" ein. Neu ist die Unterkategorie der "Onlineplattformen", die zwar in den Typus Hosting-Diensteanbieter einzuordnen ist, aber noch weitreichendere Zusatzregelungen umfasst.

Auch der Digital Services Act gilt nicht nur für in der EU niedergelassene Diensteanbieter, sondern für all jene Anbieter, die Dienste an in der EU niedergelassene Nutzer, egal ob natürliche oder juristische Personen, erbringen.

Hosting-Provider-Privileg bleibt weiterhin bestehen

Auch die neue Verordnung hält weiterhin am Hosting-Provider-Privileg – also einer Haftungsbefreiung für Hosting-Provider für von diesen gespeicherte rechtswidrige Informationen – fest, sofern diese nicht tatsächliche Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten erlangt haben beziehungsweise in diesem Falle zügig tätig werden, um diese Inhalte zu sperren. Neuerdings stellt der Unionsgesetzgeber im Einklang mit der bisherigen EuGH-Rechtsprechung jedoch auch ausdrücklich klar, dass freiwillige Untersuchungen und Tätigkeiten zur Verhinderung und Entfernung rechtswidriger Inhalte einer Anwendung des Hosting-Provider-Privilegs nicht im Wege stehen.

Neue Pflichten für alle Hosting-Provider

Der Verordnungsentwurf normiert eine ganze Reihe neuer Verpflichtungen für Hosting-Provider.

Unter anderem sieht der Digital Services Act ein harmonisiertes System zum Vorgehen gegen illegale Inhalte vor. Im Zentrum steht dabei eine Kontaktstelle, die von jedem Vermittlungsdienst einzurichten ist und insbesondere den Behörden der Mitgliedsstaaten zur Kommunikation dienen soll. Über diese Kontaktstellen soll es den nationalen Justiz- und Verwaltungsbehörden der Mitgliedsstaaten möglich sein, Maßnahmen gegen rechtswidrige Inhalte sowie Auskunftserteilungen anzuordnen.

Zentral sind auch die im Verordnungsentwurf eingeführten neuen Transparenzpflichten für Hosting-Provider (und sonstige Vermittlungsdienste). Diese umfassen eine Reihe von Verpflichtungen zur Bereitstellung von Informationen, die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen leicht zugänglich zu machen sind. Primär sollen Diensteanbieter einfach verständlich über interne Richtlinien, Verfahren und Maßnahmen zur Moderation von Inhalten, inklusive Angaben zu algorithmischer Entscheidungslogik sowie menschlicher Überprüfung, informieren. Über die Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Moderation von Inhalten sollen die Diensteanbieter weiters mindestens einmal pro Jahr einen Transparenzbericht verfassen und diesen veröffentlichen sowie Entscheidungen über gemeldete Inhalte in anonymisierter Form in einer von der Kommission verwalteten öffentlichen Datenbank publizieren.

Neu sind vor allem aber auch die präzisen Regelungen betreffend ein zu schaffendes Melde- und Abhilfeverfahren, das es Nutzern erleichtern soll, begründete Meldungen illegaler Inhalte zu übermitteln. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass eine begründete und vollständige Meldung eines rechtswidrigen Inhaltes über die vorgesehenen Kanäle des Diensteanbieters das Haftungsprivileg für diesen aushebelt, da der Unionsgesetzgeber diesfalls von tatsächlicher Kenntnis ausgeht. Diensteanbieter müssen die meldenden Nutzer wiederum unverzüglich über die getroffenen Takedown-Entscheidungen sowie über die Erwägungsgründe verständigen und sie auf Rechtsbehelfe hinweisen. Im Rahmen dessen müssen die Diensteanbieter ihre Entscheidungsgründe detailliert darstellen und Informationen über den räumlichen Geltungsbereich der Entscheidung, Verweise auf Rechtsgrundlagen und Angaben zur Verwendung automatisierter Mittel zur Entscheidungsfindung bereitstellen.

Sonderpflichten für Onlineplattformen – ausgenommen Kleinunternehmen

Der Digital Services Act sieht des Weiteren einen umfangreichen Pflichtkatalog für Onlineplattformen vor. Darunter fallen grundsätzlich alle Hosting-Diensteanbieter, die Informationen im Auftrag eines Nutzers speichern und öffentlich verbreiten.

Davon gibt es allerdings zwei Ausnahmen. Per Definition fallen bereits jene Dienste nicht in den Begriff der Onlineplattform, bei denen die zuvor beschriebene Tätigkeit nur eine reine Nebenfunktion darstellt, die aus organisatorischen und technischen Gründen gar nicht ohne den Hauptdienst genutzt werden kann. Eine solche Nebenfunktion könnte beispielsweise der Kommentarbereich einer Onlinezeitung sein.

Klar von den Pflichten der Onlineplattformen befreit sind auch Kleinst- und Kleinunternehmen (im Sinne des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG), also jene Unternehmen, die weniger als 50 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz zehn Millionen Euro nicht übersteigt.

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Neue Regeln für Facebook, Google und Co hat die EU verabschiedet.
Foto: AP Photo/Jenny Kane

Alle sonstigen Hosting-Diensteanbieter haben einen umfangreichen Beschwerdemechanismus gegen von ihnen ergangene Entscheidungen einzurichten. Gegen Entscheidungen im Rahmen dieser Überprüfung soll Nutzern in weiterer Folge noch eine weitere Instanz in Form nationaler außergerichtlicher Streitbeilegungsstellen offenstehen.

Zur unmittelbaren Bekämpfung illegaler Inhalte sollen Onlineplattformen einerseits dazu verpflichtet werden, Meldungen von speziellen, aus Sicht des Gesetzgebers besonders vertrauenswürdigen Hinweisgebern (wie gemeinnützige Vereine, die auf Online-Inhalte spezialisiert sind), vorrangig zu behandelnd. Andererseits sollen Onlineplattformen auch dazu verpflichtet werden, Nutzer, die häufig offensichtlich illegale Inhalte bereitstellen, nach vorheriger Warnung für einen angemessenen Zeitraum zu sperren. Gleichzeitig sind Onlineplattformen aber auch für die regelmäßige Überprüfung solcher Entscheidungen verantwortlich und müssen diese insbesondere anhand vorgegebener Kriterien wie Anzahl und Schwere der Missbräuche bewerten und ihre Missbrauchsrichtlinien klar verständlich in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen wiedergeben.

Der Digital Services Act sieht auch noch eine Reihe von Regelungen betreffend Risikobewertungen sowie zusätzliche Transparenzpflichten für große Onlineplattformen vor. Als groß im Sinne des Entwurfs gilt eine Plattform jedoch nur, sofern sich die Anzahl ihrer Nutzer in der Union monatlich auf durchschnittlich mindestens 45 Millionen Personen beläuft.

Ausblick

Als nächsten Schritt werden die Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat die Verhandlungen zum Digital Services Act aufnehmen müssen. Erst dann wird sich zeigen, ob der Digital Services Act in seiner jetzigen Form unmittelbare Geltung erlangen oder von den Mitgliedsstaaten an manchen Ecken nochmals nachgebessert werden wird. (Lukas Feiler, Silvia Grohmann, 7.2.2022)