Nicht erst seit der Corona-Pandemie haben Verschwörungsmythen Hochkonjunktur. Schon davor zweifelten Menschen an der Mondlandung, vermuteten finstere Eliten hinter gesellschaftlichen Entwicklungen und fanden pseudowissenschaftliche Erklärungen für die wahren Treiber des Klimawandels.

Eine großangelegte, europaweite Studie hat nun den Zusammenhang zwischen politischer Einstellung und dem Glauben an Verschwörungserzählungen in den Fokus genommen. Nach der Befragung von mehr als 100.000 Menschen kam die Forschungsgruppe unter Leitung der deutschen Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz zu einem klaren Schluss: Menschen mit extremen politischen Einstellungen tendieren dazu, an Verschwörungstheorien zu glauben. "Befragte an den extremen Rändern des politischen Spektrum äußerten eine ausgeprägtere Überzeugung, dass die Welt von geheimen Kräften regiert wird, die im Dunkeln operieren", schreiben die Forschenden.

Bei zahlreichen Demonstrationen werden derzeit vielerlei Verschwörungsmythen hervorgekehrt. Neben haarsträubenden Behauptungen zu Impfungen finden sich auch Vorwürfe gegen (scheinbare) politische Eliten wie auch gegen die "Lügenpresse".
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Stark autoritäre Züge

Besonders ausgeprägt ist die Neigung zu Verschwörungstheorien bei jenen Befragten, die die extreme Rechte und insbesondere nationalistische und autoritäre Parteien unterstützen. Bei den extrem linken Parteien galt dies nur für jene, die autoritärer ausgerichtet waren und weniger auf ökologische und liberale Werte setzten. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit erschienen im Fachmagazin "Nature Human Behaviour".

Basis der Studie sind Umfragen, die in 26 Ländern – darunter auch Österreich – geführt wurden. Europaweit kristallisierten sich dabei starke regionale Unterschiede heraus: Während in zentral- und nordeuropäischen Staaten Verschwörungstheorien vor allem bei Rechtsextremen auf Anklang stoßen, hängen in Südeuropa eher linksextrem eingestellte Menschen den konspirativen Theorien an. Sowohl in Österreich als auch in Belgien, Deutschland, Frankreich, Schweden, den Niederlanden und Polen hängt vorzugsweise die extreme Rechte Verschwörungserzählungen an. In Ländern wie Rumänien, Spanien und Ungarn sympathisieren eher Linksextreme mit derlei Mythen.

Im Mai 2020 demonstrierten Gegner der Corona-Maßnahmen vor dem Deutschen Reichstag. Der Unmut der Teilnehmer richtete sich auch gegen Bill Gates. Ihm werfen viele Anhänger von Verschwörungserzählungen ein globales Impfexperiment vor.
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Böse Mächte als Drahtzieher

Die Neigung zu Erklärungen, denen zufolge sinistre Kräfte die Welt kontrollieren, tritt darüber hinaus verstärkt bei Anhängerinnen und Anhängern von Parteien zutage, die nicht in Regierungsverantwortung sind. Ebenfalls ausgeprägter war die Verschwörungsmentalität bei Personen mit geringem Bildungsniveau. Bei Geschlecht und Alter fiel hingegen kein Zusammenhang auf.

Eine Parallele zwischen extremen politischen Ideologien und der Bereitschaft, verschwörungstheoretische Erklärungen anzunehmen, hebt das Wissenschaftsteam besonders hervor: ein starkes Schwarz-Weiß-Denken. So nehmen vermeintliche "böse Kräfte" in der Rhetorik rechtsextremer Parteien (die diese Rolle vornehmlich zugewanderten Menschen oder Menschen muslimischen Glaubens umhängen) wie auch in jener linksextremer Parteien (hier sind diese mit großen Banken oder der Europäischen Union besetzt) eine herausragende Rolle ein. (APA, mare, 1.2.2022)