Eine Welt ohne Abtreibungen, das wollen die Menschen vom "Marsch fürs Leben". Sehr viele von ihnen würden sich in Österreich strenge Abtreibungsgesetze wünschen. Was das heißt, können sie jetzt am Beispiel Polen beobachten.

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Wenn wir über Abtreibung sprechen, dann sprechen wir auch über die Gesundheitsversorgung von Frauen. Und wir sprechen von nichts Geringerem als von ihrem Überleben. Wem das bisher nicht klar war, sieht es spätestens jetzt an den fürchterlichen Todesfällen von schwangeren Frauen in Polen, wo Abtreibung seit 2020 de facto verboten ist.

Im September vergangenen Jahres starb eine schwangere Frau, die mit starken Schmerzen in ein Krankenhaus musste. Ärzt*innen sollen zu lange damit gewartet haben, einen Abbruch vorzunehmen. Laut Familie hätte die 30-jährige Izabela zu wenig Fruchtwasser gehabt, doch die Ärzt*innen wollten trotz massiver Schmerzen erst einmal nur abwarten. Der Fötus starb, und Izabela erkrankte an einer Blutvergiftung, die sie nicht überlebte.

Vor kurzem starb auch eine 37-jährige Frau, die im ersten Trimester mit Zwillingen schwanger war und mit starken Beschwerden in ein Krankenhaus gebracht wurde. Einer der beiden Föten hatte nicht überlebt. Nach sieben Tagen starb der zweite Fötus, die Frau aus dem südpolnischen Czestochowa starb am 25. Jänner dieses Jahres, vier Wochen nachdem der Tod des ersten Fötus festgestellt worden war. Was für ein Martyrium das für die Frau gewesen sein muss! Das Krankenhaus beschrieb das Handeln der Ärzt*innen als "abwartende Haltung" – im Sinne einer Chance, das zweite Kind zu retten. Auch hieß es vonseiten des Krankenhauses, dass alle notwendigen Behandlungen angewendet wurden, um die drei Leben zu retten, und dass keine anderen Faktoren die medizinischen Entscheidungen beeinflusst hätten.

Ein Problem allein in Polen?

Doch der Vorwurf von abertausenden Demonstrierenden, aber auch von den Familien lautet: Die Ärzt*innen trauen sich wegen des geltenden Abtreibungsverbots nicht einmal mehr, lebensrettende Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Bis 2020 durften Polinnen wenigsten dann abtreiben, wenn ihr Leben oder ihre Gesundheit gefährdet war. Seit selbst das nicht mehr sein darf, besteht die große Gefahr, dass Frauen im Sinne des Überlebens des Fötus ihr eigenes Lebens riskieren müssen.

Wer das alles wegschiebt, weil sich das weit weg in Polen abspiele, einem so arg katholisch geprägten Land, darf das rege Treiben von Abtreibungsgegnerinnen in Österreich nicht vergessen. Und dass der Großteil von ihnen genau das will, was Polen hat. Wenn sie regelmäßig mit ihren ach so süßen Babyfotos und Bildern von glücklichen – freilich durch und durch heterosexuellen – Eltern durch die Straßen ziehen, ist das ihre Vision einer Welt ohne Abtreibung: dass der schwangere Körper nicht mehr der schwangeren Frau gehört, sondern dass andere über die Erträglichkeit ihres Zustands entscheiden. Und darüber, ob es zumutbar ist, dass eine Frau tagelang mit toten Föten in ihrem Bauch leben muss – unter höchstem Risiko für sie selbst.

"Pro Life" gilt halt nicht für Frauen

Es ist wichtig, sich das klarzumachen. Denn Österreich ist auch ein stark katholisch geprägtes Land. Und: In Österreich holt die Tatsache, dass einige Politiker*innen der Regierungspartei ÖVP leidenschaftlich bei den sogenannten "Pro Life"-Aktivistinnen mitmischen, kaum jemanden empört hinterm Ofen hervor. Das sollte es aber, denn die Vorgänge in Polen sind letztlich genau das, was sie und alle anderen Gegner*innen von Abtreibungsrechten wollen.

Was vielleicht viele von der "Abtreibungen beenden"-Fraktion auch noch nicht bedacht haben: Abtreibungsverbote wie jene in Polen treffen alle Frauen. Nicht nur jene, die sich bewusst für eine Abtreibung entscheiden. Schon klar, die sind strengen Abtreibungsgegner*innen wahrscheinlich relativ wurscht. Auch ob diese Frauen ein Risiko durch unsichere, selbst durchgeführte Abbrüche eingehen.

Wissen, wogegen man ist

Nicht wurscht könnte ihnen aber zumindest sein, dass durch Abtreibungsgesetze, wie sie in Polen herrschen und wie sie sie auch für Österreich wollen, auch gewollt schwangere Frauen in Gefahr geraten: Frauen, bei denen es Komplikationen während der Schwangerschaft gibt und deren Ärzt*innen sich dann womöglich denken: vorsichtshalber mal nichts tun, sonst könnte man mich noch wegen eines illegalen Abbruchs drankriegen.

Es trifft auch Frauen, die schon Kinder haben, die ihre Mütter verlieren. Vielleicht bringt ja zumindest das den einen oder die andere dazu, Verbote von Abtreibungen zu überdenken. Zugegeben, das ist alles andere als eine feministische Argumentation. Denn damit wird Mutterschaft über das Recht von Frauen auf Selbstbestimmung gestellt, ach was, über das Recht von Frauen, am Leben zu bleiben. Das Abtreibungsgesetz in Polen zeigt aber genau diese Konsequenz eines Verbots auf. Wer gegen Abtreibungsrechte auf die Straße geht, sollte sich zumindest darüber im Klaren sein. (Beate Hausbichler, 2.2.2022)