Auch Bing Dwen Dwen und Shuey Rhon Rhon, das olympische und das paralympische Maskottchen, grüßen in Peking. Nur sie kommen ganz ohne Schutzkleidung aus.

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Peking – Hätte das Organisationskomitee der Olympischen Spiele von Peking Humor, würden sie am Flughafen den Donauwalzer spielen. Oder gleich die Titelmusik der südkoreanischen Netflix-Serie Squid Games, die ja damit beginnt, dass Mitspieler von maskiertem, bewaffnetem Personal an einen geheimen Ort gebracht werden.

Das Personal in Peking trägt Uniform, leider keine rote, und auch keine Masken mit Dreieck, Viereck und Kreis auf der Stirn. Es trägt friedliches Weiß, ein Überzug zum Schutz vor Corona. Auf der Brust klebt in Hellblau ein riesiges Mitarbeitsplus.

Aufgabe auf Aufgabe

Die Einreise nach China lässt sich mit einer Schnitzeljagd vergleichen. Eine Aufgabe folgt auf die nächste, einige bleiben auf der Strecke und werden ausgesiebt – zum Glück aber nicht disqualifiziert.

Wohin des Weges? Das ist dieser Tage am Flughafen in Peking auch eine Glücksfrage.
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Vor der Abreise braucht es zwei negative PCR-Tests, sie dürfen beim Flug nach China nicht älter als 96 Stunden sein, und es müssen 24 Stunden zwischen beiden Tests liegen. Bei einer kürzlichen Infektion verdoppelt sich der Schweregrad: vier Tests, jeweils 24 Stunden dazwischen.

Für das Boarding am Flughafen braucht es fünf Dinge: Reisepass, Ticket, die Akkreditierung, die das Visum ersetzt, und zwei QR-Codes. Dazu müssen online Formulare ausgefüllt werden. China will so einiges wissen von den Einreisenden, die Uhrzeit der ersten Corona-Impfung zum Beispiel. Meine Reisepassnummer kenne ich mittlerweile besser als das Geburtsdatum von Tante Rosi, so oft tippte ich sie in den vergangenen Tagen ein. Hochladen musste ich außerdem meinen fünf Jahre alten Meldezettel.

Die Anreise begann eigentlich schon am Sonntag. Ich fuhr nach München, übernachtete beim Flughafen, am Montag ging es via Charles de Gaulle in Paris nach Peking. Mit an Bord war unter anderen die genesene Bobpilotin Katrin Beierl, ihr Ct-Wert ist inzwischen unbedenklich. Auch Alpinläuferin Ramona Siebenhofer war dabei, so wie auch Freeskier Matěj Švancer. 60 Prozent der Passagiere waren Mitglieder des französischen Teams, ich konnte Skistar Tessa Worley erkennen – Namedropping vom Feinsten.

Auch mit dabei: der olympische Spirit. Es sind meine ersten Spiele, aber ich denke, ich habe ihn erkannt. Die Stimmung in den Olympiateams hat etwas von einer Schullandwoche für Mittzwanziger. Sie ist heiter, die Scherze sind nicht immer stilvoll. Manche geben stolz zu, auf dem Flug Alkohol getrunken zu haben, andere verschweigen es und haben es trotzdem getan. Statt eines Segelscheins gibt es zur Heimreise im Idealfall eine Medaille.

Nettes Gespräch, danke

Neben mir im Flieger saß eine Französin. Sie erzählte mir, sie sei Physiotherapeutin für das Snowboardcross-Team. Sie zählte mir die Namen der je vier Athletinnen und Athleten auf. Mir sagte nur Chloé Trespeuch etwas – zugegeben: nur wegen des schönen Namens. Dann stellte mir die Betreuerin die Gegenfrage. Sie fragte nach einem Detail, ich verstand schlecht und fragte, ob sie mein "newspaper" meinte. "Interesting", sagte sie schulterzuckend, mein "newspaper" sage ihr gar nichts. Es folgten zehn Stunden Stille. Wir waren müde.

Ich habe noch immer kein eigenes Foto aus dem Flugzeug, auf dem man die olympischen Skipisten als weißes Band in Mondlandschaft sieht. Dafür sah ich um 6.30 Uhr Feuerwerke. Auch China feierte Neujahr bis in den Morgen.

Am Flughafen war niemand zu sehen, der nicht in die Olympia-Blase gehört. Nach 30 Minuten gab es einen Covid-Test. Vor lauter Gurgeln habe ich den Nasenabstrich fast vergessen. Allein die Erinnerung treibt mir Tränen in die Augen. Ab sofort gibt’s das täglich.

Bei der Gepäckausgabe setzt China nicht auf Förderbänder. Warum auch? In einem kleinen Raum standen Gepäckstücke kreuz und quer, österreichische Sprungski neben französischen Skischuhen. Ich hatte freilich nur Augen für meinen Koffer und fand ihn. Nach 20 Sekunden. Es ist nicht alles schlecht.

Bild nicht mehr verfügbar.

Kontrolle schlägt Vertrauen.
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Über die Transportbusse heißt es, sie seien in Summe klimaneutral. Ich kann es mir nach viereinhalb Stunden Motorenbrummen schwer vorstellen. Für die Fahrt auf dem Expressway gab es eine eigene Polizeieskorte. Der Name ist im Übrigen irreführend, Schleichweg passt besser. Ich fuhr in den "Zhangjiakou Cluster" nordwestlich von Peking. Hier finden etwa Biathlon- und Skisprungbewerbe statt.

Home, Sweet Home

Im Hotelzimmer dann noch eine Enttäuschung. Facebook, Twitter, Instagram – die Heilige Dreifaltigkeit des Ursprungs von Social Media – sind gesperrt. Youtube sagt: "Bitte stellen Sie eine Verbindung zum Internet her." Hab ich aber. Auch Google: gesperrt. Zum ersten Mal stehe ich mit dem Rücken zur Wand, weil: Eine andere Suchmaschine googeln fällt flach. Das war vom Organisationskomitee alles anders versprochen. In den Pressezentren soll dann aber alles funktionieren. Gibt trotzdem ein Mitarbeitsminus. (Lukas Zahrer aus Peking, 1.2.2022)

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