Eine einmalige Infektion ist nicht vergleichbar mit einer abgeschlossenen Grundimmunisierung. Erst diese drei Impfungen geben einen umfassenden und vor allem langanhaltenden Schutz vor einem schweren Verlauf – und zwar bei allen bisher bekannten Varianten.

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Die Impfung gegen das Coronavirus erzeugt eine bessere Immunität als die Genesung, so hört man es derzeit öfter von Expertinnen und Experten. Doch kann das stimmen? Immer wieder zweifeln Menschen an dieser Aussage. DER STANDARD hat sie deshalb einem Faktencheck unterzogen.

Grundsätzlich wäre es tatsächlich so, dass die Immunität nach einer Ansteckung breiter ist als jene nach einer einmaligen Impfung. Der Grund dafür: Die Immunantwort durch Infektion richtet sich gegen alle Proteine des Coronavirus, nicht nur gegen das Spike-Protein. Aber, und hier kommt der erste Einwand: Etwa ein Drittel der Proteine, die das Coronavirus enthält, sind dazu da, das Immunsystem zu blockieren, damit das Virus mehr Zeit hat, sich zu vermehren.

Diese Immununterdrückung fällt bei der Impfung weg, weil sie nur das Spike-Protein enthält und nicht das gesamte Virus. Die Körperabwehr kann dadurch die Immunität ungestört aufbauen. Wie die Unterdrückung des Immunsystems durch einzelne Virusproteine genau funktioniert, erklärt der Molekularbiologe Martin Moder auf seinem Youtube-Kanal M.E.G.A. in dem Video Immunschutz mit Handbremse.

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Dreimaliger Viruskontakt

Dazu kommt, dass, egal ob nach Impfung oder nach Genesung, die Immunität zu einem großen Teil über Antikörper- und T-Zell-Antworten gegen das Spike-Protein funktioniert, und genau darauf zielt ja die Impfung ab. Weiters spricht man bei natürlicher Immunität im Normalfall von einer einzigen Infektion. Die kann man aber nicht mit einer dreifachen Impfung gleichsetzen. "Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen", betont der Immunologe Gerald Wirnsberger vom Pharmaunternehmen Invios.

"Es kommt darauf an, mit welcher Variante man sich infiziert hat, ob es unter Umständen sogar mehrere Infektionen gab und ob und wenn ja wie viele Impfungen man bekommen hat. Dazu gibt es auch noch Unterschiede zwischen den einzelnen Impfstoffen." Es gibt zwar mittlerweile immer mehr Daten und Studien zu dem Thema, doch vor allem die Daten zur Omikron-Variante sind noch nicht ausreichend vorhanden.

So viel ist aber klar: Je öfter der Körper mit dem Virus oder auch mit einem Vakzin in Kontakt kommt, idealerweise in bestimmten, längeren Zeitabständen, desto besser und länger anhaltend ist auch der Schutz. Das ist auch der Grund, warum das dreiteilige Impfschema mit zumindest vier Monaten Abstand zwischen zweitem und drittem Stich empfohlen ist.

Das gibt den B- und den T-Zellen, die für die langfristige Immunantwort zuständig sind – und die wir vor allem für den Schutz gegen schwere Verläufe brauchen –, die nötige Zeit zum Reifen. Wirnsberger: "Eine einzige Infektion mit einer früheren Virusvariante bietet keinen besonders guten Schutz gegen Reinfektion, vor allem nicht gegen eine Virusvariante mit so vielen Mutationen wie Omikron. Die Kombination aus Infektion und Impfung, eine hybrid immunity, schützt wesentlich besser."

Wichtige T-Zellen

Ob Impfung oder Infektion, die Antikörper gehen zurück und können eine Ansteckung nicht dauerhaft verhindern. Hier kommen die T-Zellen ins Spiel. Sie sind sehr langlebig und können bei erneutem Kontakt mit dem Virus die B-Zellen sofort wieder dazu anregen, Antikörper zu bilden, und infizierte Zellen abtöten. Zusätzlich ist die T-Zell-Immunantwort robuster gegenüber Mutationen.

All dieses Wissen erfährt jetzt noch einmal eine neue Bedeutung durch die Omikron-Variante. Denn, erklärt Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck, "Omikron ist ein neuer Serotyp. Das bedeutet, dass das Spike-Protein so verändert ist, dass bereits vorhandene Antikörper nicht mehr so gut daran binden können."

Die Daten dazu, wie gut – oder schlecht – der Schutz vor Omikron ist, wenn man keine Impfung hat, aber genesen ist, sind noch nicht sehr klar, "aber es gibt Studien, die zeigen, dass man wegen dieses neuen Serotyps nur noch einen 20-prozentigen Schutz vor Infektion hat", so von Laer. Das ist nach derzeitiger Datenlage weniger als nach drei Impfungen – diese abgeschlossene Immunisierung ist der Vergleichswert, den man heranziehen muss, betont die Virologin.

Schutz auch vor Omikron

Man kann sich also nach einer Omikron-Infektion nicht auf einen breiten Immunschutz stützen, betont von Laer: "Es kann ein ganz neuer Serotyp kommen oder auch eine ältere Variante wieder auftauchen. Wir sehen nach wie vor Delta-Fälle und sogar Alpha-Infektionen." Gegen diese alten und möglicherweise gegen zukünftige neue Varianten ist man durch die Omikron-Infektion nur sehr schlecht vor Ansteckung geschützt.

"Ich habe früher die Immunität von Genesenen stärker betont. Das gilt aber mit dem neuen Serotyp nicht mehr", sagt von Laer. Jetzt ist klar: "Der allerbeste Schutz ist die Kombination aus Infektion und zwei- oder dreifacher Impfung. Den sollten sich Genesene auf keinen Fall entgehen lassen."

Abschließend bleibt noch eines zu sagen: Die Impfung ist nicht gegen eine bestimmte Variante, sondern gegen Sars-CoV-2. Bisher sind alle Varianten gewissermaßen aus dem Urknall des Originalvirus hervorgegangen und streben wie das Universum auseinander, weiß der Molekularbiologe Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Immunität durch Infektion deckt einen Winkel dieses Universums ab, die Immunantwort ist aber bei jeder Variante etwas anders. Im Gegensatz zur Infektion kann die Impfung in Zukunft vorausschauend wirken, wie das auch bei der Influenza-Impfung gilt. (Pia Kruckenhauser, 2.2.2022)