Kanzler Nehammer will künftig auf mehr Transparenz setzen.

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Wien – Es sei nichts Unanständiges passiert, das Papier habe zur Absicherung beigetragen, versuchten sowohl ÖVP als auch Grüne nach Bekanntwerden des Sideletters zum Koalitionsvertrag zu besänftigen. Die massive Kritik dürfte jedoch dazu geführt haben, dass Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) nun auf Transparenz setzen will: Mit ihm werde es keine geheimen Absprachen mehr geben, sagte er der "Kronen Zeitung". Auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) stimmte ein. "Nichtöffentliche Sideletter und Nebenvereinbarungen sollen der Vergangenheit angehören", schrieb Kogler auf Twitter.

Keine Sideletter mehr

Für die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, dürfte das zu wenig sein: Es bestehe offensichtlich ein "guter Grund für eine Reform" bei der Postenbesetzung in der Justiz. Richtervereinigung und Justizgewerkschaft fordern in einem offenen Brief an die Regierung deshalb, dass alle Ernennungen nur mehr auf Basis verbindlicher Vorschläge richterlicher Gremien erfolgen. Auch Justizministerin Alma Zadić (Grüne) schloss sich der Forderung nach Neugestaltung der Postenbesetzung in der Justiz an – und kündigte Reformen, unter anderem für die Führung des Obersten Gerichtshofs (OGH), an.

Kanzler Nehammer sieht angesichts der Postenvergabe das größte Problem in der intransparenten Handhabe, welcher er ein Ende setzen will: Zwar sei es Aufgabe der Regierung, Absprachen über Postenbesetzungen zu treffen, das sollte jedoch nicht im Geheimen erfolgen. "Mit mir wird es in künftigen Regierungen keine geheimen Vereinbarungen außerhalb des Regierungsprogramms geben." Alle Arbeitsweisen werde man transparent im Regierungsprogramm vereinbaren – dies gelte für alle künftigen Koalitionen. Es müsse allen klar sein, dass diese Absprachen das Vertrauen in die Politik beschädigen, so der Kanzler.

Kogler verweist auf bisherige Schritte

Laut Vizekanzler Kogler sei in den Regierungsverhandlungen mit dem damaligen Verhandlungspartner Sebastian Kurz (ÖVP) "vollumfängliche Transparenz" nicht möglich gewesen. "Im Rahmen dessen haben wir das Bestmögliche herausgeholt: Das zeigen die Ergebnisse", sagt Kogler.

Er verweist auf konkrete Pläne. Es gebe einen "fix-fertigen Gesetzesvorschlag" zum Transparenz- und Antikorruptionspaket, der nun bei der ÖVP zur Umsetzung liege. Verhandlungen zu Parteienfinanzierung seien mit der ÖVP abgeschlossen, Gesetzestexte würden finalisiert und dann der Opposition vorgelegt. "Das kann demnächst fix und fertig sein", sagt Kogler. Das Antikorruptionsgesetz liege im Entwurf seit November beim Koalitionspartner. Kogler schließt seine Twitter-Botschaft mit einem Appell ab: "Verordnen wir uns volle Transparenz, die dann auch von allen gelebt werden muss."

Einen Schritt weiter geht dabei Parteikollegin und Justizministerin Zadić: "Wir müssen Postenbesetzungen in der Justiz neu denken. Das gilt auch für die Bestellung der Präsidentin und der Vizepräsidentinnen des OGH. Ich setze mich deshalb dafür ein, entsprechende Personalgremien zu schaffen, die eine Reihung der Kandidatinnen nach objektiven Kriterien vornehmen. Dadurch sollen Postenbesetzungen transparenter und objektiv nachvollziehbarer werden", kündigte Zadić an.

"Lehnen parteipolitische Erwägungen ab"

Ähnliches wird auch im offenen Brief gefordert: "Als Standesvertretung lehnen wir parteipolitische Erwägungen in Besetzungsverfahren ab", heißt es in dem von Matejka und Justizgewerkschaftschef Martin Ulrich unterzeichneten Schreiben. Um die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit – und damit deren Akzeptanz – zu sichern, dürfe nur die Eignung der Bewerber maßgeblich sein.

Es gelte, "jeden Anschein einer Möglichkeit, aus parteipolitischen bzw. unsachlichen Erwägungen Einfluss auf solche Besetzungen nehmen zu können", strukturell auszuschließen – indem die Rolle unabhängiger Kollegialorgane bei allen Bestellungsvorgängen in der Gerichtsbarkeit gestärkt wird, insbesondere auch jenen für Präsidenten und Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes und der Verwaltungsgerichte.

Auch das Übernahmeverfahren in den richterlichen Vorbereitungsdienst müsse den unabhängigen Personalsenaten übertragen werden, verlangen die Standesvertreter. Diese bestehen mehrheitlich aus (alle vier Jahre) von den Richtern gewählten Kollegen bzw. Kolleginnen des jeweiligen Gerichts. (red, APA, 2.2.2022)