Ein Einfamilienhaus hat für viele Menschen entscheidende Vorteile: Es bietet Platz, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung und Privatsphäre. Die Vorteile können aber zum Nachteil werden. Haus und Garten sind viel Arbeit. Und die Lage führt irgendwann vielleicht zu Einsamkeit.

"Manchmal meldet sich eine ältere Person dann und sagt: Ich bin relativ allein und könnte mir gut vorstellen, mein Haus mit anderen zu nutzen", sagt Gerhard Kopeinig vom Architekturbüro Arch+More. Den Bodenverbrauch und die mit Einfamilienhäusern oft einhergehende aufs Auto fokussierte Mobilität findet er problematisch. "Aber unser gebauter Altbestand verdient unsere Wertschätzung", sagt er. Immerhin haben Menschen in die Häuser einst ihr Erspartes und viele Arbeitsstunden gesteckt.

Aus Ein-
wird Mehrfamilienhaus:
Das könnte die Zukunft mancher Häuser auf dem Land sein.
Im Idealfall profitieren davon alle.
Foto: ARCH+MORE/Luttenberger

So war das auch bei einem Haus am Sternberg außerhalb von Velden: Irgendwann wohnte im Einfamilienhaus aus der Nachkriegszeit aber niemand mehr, schließlich stand es zum Verkauf. Planer Kopeinig verwandelte es vom Ein- zum Mehrfamilienhaus, indem er drei kompakte Wohnungen unterbrachte, die von außen begehbar sind. Die Fassade wurde mit Lärchenholz verkleidet.

Besonders gut würden sich solche Wohnformen für junge Menschen oder für eine Alters-WG eignen, erzählt der Architekt. Es sei wichtig, die Dichte in Einfamilienhausgegenden zu erhöhen. Auf einem tausend Quadratmeter großen Grundstück, auf dem oft nur ein Haus steht, könne man vier Wohnungen unterbringen, ist er überzeugt. "Und zwar in verträglicher Form, sodass alle gut leben können."

Ein Grillfest für alle

Dieses Verdichten sei eine Win-Win-Situation: "Dadurch kann man in den Dörfern eine gewisse Infrastruktur erhalten." Wirtshäuser, Geschäfte, Angebote für Jung und Alt leben von Frequenz, die es in manchen Gegenden nicht mehr gibt. Nutzungskonflikte seien da zwar schon häufiger, "aber die muss man besser managen und betreuen", sagt Kopeinig. Nachsatz: "Wenn man das macht, gibt es eine große Zufriedenheit bei allen." Immerhin wird, wie er stolz erzählt, im Haus am Sternberg seit der Übergabe der Wohnungen jedes Jahr ein Grillfest mit der Nachbarschaft veranstaltet.

Doch nicht jedes Haus eignet sich dafür: Besonders gut würde sich Bausubstanz aus den 1950er- bis 1970er-Jahren eignen, schwieriger seien neuere Bauten, "das sind oft riesengroße Einfamilienhäuser mit vielen Winkeln und stark fixierten Grundrissen". Natürlich spielt auch die Lage eine wichtige Rolle. Denn speziell Alters-WGs würden Wert auf eine zentrale Lage im Ort legen.

Die "BauOase" ist einem Dreikanthof nachempfunden, damit sie sich gut einfügt.
Bild: WBKR

Mit Alternativen zum klassischen Einfamilienhaus beschäftigen sich auch Rene Kruzik und Philipp Rodleitner. Sie bringen Erfahrung aus Bautechnik, ökologischem Modulbau und Mediation mit und haben das Shared-Living-Konzept "BauOase" entwickelt. Dabei handelt es sich um einen – je nach Standort und Kundschaft – adaptierbaren Modulbau aus Holz, der ökologisch alle Stückerln spielen soll. Von der Optik her soll das Gebäude an Dreikanthöfe erinnern und mit zwölf bis 14 Wohneinheiten ausgestattet sein, damit es sich auf dem Land einfügt.

Ein Rasenmäher für alle

"Diese Rahmenbedingungen geben wir vor", sagt Philipp Rodleitner. Der Rest wird mit künftigen Bewohnerinnen und Bewohnern erarbeitet. Das Konzept ist ähnlich einer Baugruppe, allerdings werden die Gruppenmitglieder bei der Gemeinschaftsfindung unterstützt, außerdem bei der Kommunikation mit Gemeinde und Generalunternehmer – und zwar über die Fertigstellung der "Bauoase" hinaus.

All das soll den langen Weg von der Findung der Baugruppe bis zur Fertigstellung beschleunigen. Großes Ziel der "BauOase": Ressourcen wie Rasenmäher und Werkzeug, aber auch ein gemeinsames E-Auto werden geteilt, "ein bisschen so wie früher", sagt Kruzik. Gleichzeitig haben die Bewohnerinnen und Bewohner Eigengärten und Terrassen. Wie oft sie sich treffen wollen und welche Rolle die Gemeinschaft im Wohnalltag spielt, hängt von ihnen ab.

Spezialisiert haben sich Kruzik und Rodleitner auf Abwanderungsgegenden, in denen die Grundstücke günstig sind und die Gemeinden sich über ein Wohnangebot – etwa für Rückkehrende aus der Stadt oder für ältere Menschen – freuen. Ein erstes Projekt ist in Nöhagen im Waldviertel geplant.

Ende eines Wohntraums?

Dass der Wohntraum des Einfamilienhauses ausgeträumt ist, ist trotz allem unwahrscheinlich. Doch auch auf dem Land macht sich ein Umdenken bemerkbar, sind sich die Experten einig – auch weil die Grundstücks- und Baukosten mittlerweile hoch sind.

Architekt Kopeinig plant Einfamilienhäuser heute schon so, dass sie später in drei Wohnungen teilbar sind, sollten sich die Lebensumstände verändern. Der Gedanke an eine solche Zukunft sei nicht für alle Hausbauerinnen und Hausbauer leicht, gibt er zu: "Manchmal braucht es da ein wenig Psychologie." (Franziska Zoidl, 12.2.2022)