Die grüne Taxonomie kann erst in Kombination mit einer verpflichtenden Klassifizierung schmutziger Finanzprodukte wirksam werden, sagen die Attac-Ökonominnen Teresa Gäckle und Julia Litofcenko im Gastkommentar.

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Auf dem Weg raus aus der Klimakrise braucht es Atomstrom, findet die EU-Kommission. In Österreich widersprechen sowohl Grüne als auch ÖVP.
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Dass die EU-Kommission Atomkraft und Gas in ihrer "grünen Taxonomie" als Brückentechnologien und damit als "grün" einstuft, wird von NGOs und Klimaministerin Leonore Gewessler zu Recht heftig kritisiert. Tatsächlich ist die Entscheidung der Kommission eher eine Folge politischer Allianzen denn wissenschaftlicher Analyse. Durch massives Lobbying von Finanzwirtschaft und auf fossiler Energie basierenden Branchen wurde der ursprüngliche Inhalt der Taxonomie stark verwässert.

Prinzip Freiwilligkeit

Doch das Problem mit den angeblichen Nachhaltigkeitskriterien liegt viel tiefer. Denn die Taxonomie ist ganz grundsätzlich zahnlos – nicht nur wegen des Greenwashings von Erdgas und Atomenergie. Bei der Taxonomie handelt es sich lediglich um eine freiwillige Kennzeichnung. Finanzinstitute können ihre Produkte also in Zukunft damit bewerben, dass sie den Kriterien der grünen Taxonomie entsprechen – sie können die Kriterien aber auch weiterhin ignorieren. Verpflichtend ist ihre Anwendung lediglich für staatliche Nachhaltigkeitslabels, etwa sogenannte Green Bonds, vorgesehen.

Freiwillig ist nicht nur die Anwendung der Kennzeichnung, sondern auch die Nutzung der Kriterien bei der Geldanlage. Die Entscheidung, ob Kapital in den Ausbau erneuerbarer Energien fließt oder ob Banken und andere Anleger ihr Geld doch lieber in fossiler Energie anlegen wollen, wird letztendlich gar nicht reguliert. Und leider ist fossile Energie immer noch sehr lukrativ, etwa für österreichische Banken: Laut Fridays for Future flossen seit dem Pariser Klimaschutzabkommen 1,9 Milliarden Euro von der Raiffeisenbank International und rund 1,5 Milliarden Euro von der Erste Bank an die größten europäischen Kohleunternehmen.

Zu spät, zu wenig

Angesichts des dringend notwendigen Umbaus der Wirtschaft kommt die Taxonomie aber auch einfach zu spät. Die jetzt veröffentlichten Kriterien hätten ursprünglich schon im Jänner 2021 finalisiert werden sollen, die Entscheidung wurde aber immer wieder verschoben. Damit wurde auch die Entwicklung des zweiten Bausteins – der Klassifizierung von klima- und umweltschädlichen Aktivitäten – verzögert. Zur angekündigten schrittweisen Ausweitung der Taxonomie auf alle Wirtschaftsaktivitäten liegt noch nicht einmal ein Entwurf vor. Die Klimakrise schreitet derweil munter voran.

Doch gerade die Kennzeichnung besonders schädlicher Wirtschaftsaktivitäten wäre dringend notwendig, um das Divestment, also den Abzug von Kapital, aus Klimakillerindustrien voranzutreiben. Lediglich rund zwei Prozent der Umsätze der 50 größten börsennotierten Unternehmen der EU sind nach aktuellen Schätzungen als nachhaltig im Sinne der Taxonomie einzustufen. Ein großer Teil von wirtschaftlichen Aktivitäten, darunter die Automobilindustrie, der Flugverkehr, die Bekleidungsbranche oder fossile Energieträger, ist mit den Pariser Klimazielen völlig unvereinbar und kann in der heutigen Form nicht fortgeführt werden.

"Was nicht funktionieren wird, ist, die Verantwortung dem Markt zu überlassen."

Tatsächliche Wirkung kann eine grüne Taxonomie erst entfalten, wenn sie mit einer Klassifizierung schmutziger Finanzprodukte kombiniert wird, die flächendeckend und mit verpflichtenden Konsequenzen zur Anwendung kommt. So sollte die EZB in ihren Anleihenkaufprogrammen keinen Cent mehr in schmutzige Produkte investieren dürfen. Banken mit klimaschädlichen Geschäften sollten darüber hinaus schlechtere Konditionen bei der EZB erhalten; Quoten für die Kreditvergabe sollten an nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten gebunden werden. Letztendlich sollte eine solche Taxonomie auch dazu dienen, öffentliche Ausgaben aus schmutzigen Bereichen wegzuleiten.

Was hingegen nicht funktionieren wird, ist, die Verantwortung dem Markt, also den Banken, Fonds, aber auch den kleinen und großen privaten Anlegerinnen und Anlegern zu überlassen und zu hoffen, dass diese ihre Profitinteressen zugunsten der Allgemeinheit zurückstellen. Wir können die Klimakrise nicht mit derselben privaten Profitlogik bekämpfen, die sie verursacht hat.

Klare Regeln – und Verbote

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, muss die öffentliche Hand dringend notwendige Investitionen selbst finanzieren und klare Regeln – ja, das heißt auch Verbote – für klimaschädliche Aktivitäten und Investitionen erlassen. Im besten Fall könnte die Taxonomie ein Schritt auf dem Weg dorthin sein. Der aktuelle Vorschlag dagegen ist lediglich ein trauriges Exempel dessen, wie im Sumpf von Lobbyismus und kurzsichtiger Interessenpolitik weiterhin jede substanzielle Klimapolitik untergeht. In einem großteils unregulierten Finanzkasino wird damit den Profiten lediglich ein grünes Mascherl verpasst. (Teresa Gäckle, Julia Litofcenko, 2.2.2022)