Eine Milliarde Tschickstummel landen in Schweden auf der Straße. Ein Projekt könnte dies nun mit Krähen bekämpfen.
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Nicht einmal beim Hütchenspiel kann man Rabenvögeln etwas vormachen. Die cleveren Corviden schneiden schon in jungen Jahren im Experiment ähnlich gut ab wie Schimpansen und Orang-Utans: Sie können verdecktes Futter, das seinen Standort verändert, zielsicher zuordnen.

Von den schlauen Raben und Krähen, die sich übrigens hauptsächlich in ihrer Körpergröße unterscheiden, kann auch der Mensch profitieren. Sie könnten beispielsweise – wie auch ihre Verwandten, die Elstern – beim Einsammeln von Müll helfen und pro abgegebenen Stummel eine nahrhafte Belohnung erhalten. Entsprechende Apparaturen wurden bereits in Frankreich und den Niederlanden ertüftelt.

Kleinvieh sammelt Mist

Wenn es nach Christian Günther-Hanssen vom Start-up Corvid Cleaning geht, startet in Schweden bald ein entsprechendes Pilotprojekt auf Stadtebene. In Södertälje, das südwestlich von Stockholm liegt, soll eine Maschine aufgestellt werden, die automatisch Nüsse ausspuckt, wenn Raben oder Krähen ausgerauchte Zigarettenreste in einem Behälter entsorgen.

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Beteiligen dürfte sich vor allem die ansässige Spezies der Rabenkrähe. Wenn das Projekt finanziert und akzeptiert wird, kommen "freiwillig teilnehmende Wildvögel" zum Einsatz, so formuliert es Günther-Hanssen. Rabenvögel können das Aufräumverhalten relativ leicht erlernen, und es sei durchaus wahrscheinlich, dass sie es sich daraufhin gegenseitig beibringen. So, wie sie sich etwa über angriffslustige und spendable Menschen unterrichten – was im Übrigen auch die soziale Ader der Tiere belegt. "Gleichzeitig ist das Risiko geringer, dass sie den Müll versehentlich verzehren", sagt der Firmengründer.

Tschickstummel – nevermore?

Er geht sogar davon aus, dass man auf diese Weise drei Viertel der Straßenreinigungskosten sparen könnte. Der Müllvermeidungs-NGO Keep Sweden Tidy Foundation zufolge machen Zigarettenstummel in Schweden 62 Prozent der Straßenabfälle aus. Pro Jahr werden dort mehr als eine Milliarde Tschickstummel achtlos weggeworfen. Zum Vergleich: Allein in Wien sind es jährlich etwa 868 Millionen Stück.

Einfacher wäre es klarerweise, wenn Menschen ihren Mist selbst entsorgen würden. Das Projekt ist aber im Hinblick auf Tier-Mensch-Umwelt-Interaktionen spannend. Wie erfolgreich es ist, was weggeworfen wird und wie sich das Müllsammeln auf die Gesundheit von Vögeln auswirkt, sollte freilich ausgewertet werden. "Hier würde sich eine wissenschaftliche Begleitung lohnen", sagt Thomas Bugnyar, Kognitionsbiologe an der Uni Wien. "Diese könnte einbeziehen, welche Krähenarten sich beteiligen und wer das Verhalten von wem erlernt."

Empathisch, klug und frech

Bugnyar beschäftigt sich selbst regelmäßig mit der Raben- und Krähenforschung. Er fand etwa Indizien dafür, dass die Tiere eine eigene subjektive Wahrnehmung der Welt haben und sich von den Emotionen ihrer Artgenossen anstecken lassen.

Bekannt ist auch, dass sie Werkzeuge wie Zweige und Steine in versierter Manier benutzen. Und sie unterscheiden sogar zwischen dem, was ein Artgenosse gesehen hat, und dem, was ihm entgangen sein muss. Diese Information nutzen sie aus, indem sie ein unter Beobachtung verstecktes Objekt wieder ausgraben und neu verstecken, damit nur sie selbst Zugriff darauf haben.

Dass gewitzte Vögel auch das Müllsammelsystem austricksen, ist durchaus möglich. In einem französischen Freizeitpark mit Vogelshow etwa trainierte ein Mitarbeiter sechs Krähen darauf, Tschickstummel einzusammeln. Sie versuchten jedoch mitunter, kleine Holzstückchen einzuwerfen und so an die Nüsse zu kommen. Weil die Apparatur von einem Menschen bedient wurde, konnte er das falsche Pfand abwehren und die Belohnungsklappe geschlossen lassen. (Julia Sica, 3.2.2022)

In Frankreich kam bei einem historischen Freizeitpark eine manuell bedienbare Sammel- und Belohnungsstelle zum Einsatz.
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