Die Holzpyramide im Zentrum des Protestcamps ist seit Dienstag Geschichte. Am Mittwoch fuhren neuerlich die Bagger auf: Da waren sie aber schon für Bauarbeiten im Einsatz.

Foto: Toppress / Karl Schöndorfer

Mit der Räumung der monatelang besetzten Baustelle für die Wiener Stadtstraße ist zwar das Camp samt Holzbaracken und der markanten Pyramide verschwunden, nicht aber der Protest gegen das umstrittene Bauvorhaben. "Wir machen weiter", sagt Klimaaktivistin Lena Schilling. Wie genau, darüber sind sich die Umweltschützer am Tag nach der Entfernung des Camps noch nicht im Klaren.

Zwei Protestcamps bestehen weiter

Es werde jedenfalls weiter Protestaktionen geben. Zudem bestehen weiterhin zwei Camps: Eines ist in der Anfanggasse auf einer Grünfläche, das Areal ist nicht für Bauarbeiten für die Stadtstraße vorgesehen. Das zweite befindet sich bei der Hirschstettner Straße nahe der Südosttangente: Hier wird eine Fläche seit Ende August besetzt. Die Baustelle befindet sich laut Asfinag aber bis Mitte oder Ende März noch in Winterpause, vorerst sei kein Einschreiten geplant.

Im dortigen Protestcamp ist zu Silvester eine zweistöckige Holzhütte abgebrannt, die Polizei geht von Brandstiftung aus. Eine Hütte wurde mittlerweile wiedererrichtet, sagt Schilling.

Sie verweist darauf, dass die Umweltorganisationen auch "die Baumrodungen ganz genau beobachten werden". So wurde am Dienstag – gleichzeitig mit der Räumung der besetzten Baustelle – auch mit der Fällung von Bäumen entlang der Trasse für die Stadtstraße begonnen. 380 Bäume werden insgesamt umgeschnitten, sagte Thomas Keller, Leiter der Abteilung Straßenbau (MA 28). Dafür gebe es knapp 1000 Ersatzpflanzungen von Bäumen in Stadtentwicklungsgebieten in der Donaustadt.

Am Dienstag kletterten Aktivistinnen und Aktivisten auf Bäume, um die Rodungen zu stoppen.
Foto: Christian Fischer

Bis Mittwoch wurden 210 Bäume gerodet. 170 blieben vorerst stehen, der Großteil davon ist "noch Gegenstand eines Abänderungsverfahrens", sagte Keller dem STANDARD (Details in diesem Artikel). Das ist insofern interessant, als im UVP-Bescheid nur die Entfernung von 231 Bäumen genehmigt wurde. Dass die Stadt jetzt 150 zusätzliche Bäume fällen will, führt Keller auf die "lange Verfahrensdauer" für die Stadtstraße zurück. In der Zwischenzeit hätte weiteres kleinwüchsiges Gehölz eine gewisse Höhe überschritten, wo dann auch das Wiener Baumschutzgesetz greife. Dafür ist dann aber ein Abänderungsbescheid nötig. Und dieses Verfahren ist nicht abgeschlossen.

Bagger fuhren bereits auf

Bei der einst besetzten Baustelle bei der Hausfeldstraße waren am Mittwoch schon Bagger tätig, wie ein Lokalaugenschein zeigte. Auch Keller bestätigte, dass die Bauarbeiten "umgehend aufgenommen" worden seien. Erdarbeiten laufen, die Baustraße wird errichtet. "Durch die Besetzung in der Hausfeldstraße haben wir fünf Monate verloren, die wir nun versuchen aufzuholen." Laut Keller gebe es 219 Auftragsvergaben an Baufirmen.

Die Verkehrsfreigabe für die vierspurige Stadtstraße zwischen Südosttangente und Seestadt Aspern samt zwei Tunneln wurde vor der Besetzung bis Herbst 2025 erwartet. Ob der Termin hält, darauf wollte sich eine Sprecherin von Verkehrsstadträtin Uli Sima (SPÖ) vorerst nicht festlegen. Es werde "alles unternommen, um die verlorene Zeit aufzuholen und die Baudauer wie geplant eingehalten wird".

Ebenso offen ist, ob die Kosten für das Projekt nach den Verzögerungen halten: Im April 2021 hat der Verkehrsausschuss der Stadt 460 Millionen Euro als valorisierte Projektkosten für die Stadtstraße genehmigt. Eine Sprecherin von Sima sagte: "Die projektierten Kosten werden eingehalten."

Securitys im Auftrag der Stadt im Einsatz

Zusätzliche Kosten für die Stadt sind aber bereits fix: So waren am Mittwoch auch zahlreiche Securitys bei der Baustelle in der Hausfeldstraße anwesend. Das Büro von Sima bestätigte dem STANDARD, dass neben Baustellenzäunen auch Securitys dafür sorgen sollen, dass es keine weitere Besetzung mehr gibt. Auch vier Einsatzwägen der Polizei hielten sich am Nachmittag unmittelbar bei der Baustelle bei der Hausfeldstraße auf. Bei der Landespolizeidirektion Wien hieß es, dass die Stadt darum ersucht habe, zumindest für einige Tage Nachschau zu halten.

Grafik: APA/DER STANDARD

Am Mittwoch stand auch die Einsatzbilanz fest: Insgesamt gab es 48 Festnahmen. Fünf davon erfolgten nach der Strafprozessordnung, laut Polizeisprecher Markus Dittrich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Hier erfolgten jeweils Anzeigen auf freiem Fuß.

48 Festnahmen, 58 Anzeigen

Am Mittwochnachmittag befanden sich noch elf Personen im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände. Laut Polizei wurde aber mit baldigen Entlassungen gerechnet: Bei verwaltungsrechtlichen Delikten beträgt die maximale Anhaltedauer 24 Stunden. Insgesamt gab es nach der Camp-Räumung und der folgenden Demonstration in der Innenstadt noch 58 Anzeigen – zum großen Teil nach dem Versammlungsgesetz. (David Krutzler, 2.2.2022)