Abriss der Zentrale des Protests gegen die Wiener Stadtstraße vor wenigen Tagen.

Foto: Foto: Toppress/Schöndorfer

Die Sallaberg-Brücke auf der Umfahrung Stainach im Bezirk Liezen in der Steiermark ist nicht irgendeine Brücke – auch wenn sie für Durchreisende durchs Ennstal unspektakulär aussieht. Für viele Einheimische ist diese Brücke ein in Beton gegossenes Mahnmal für eines der umstrittensten Straßenbauprojekte in Österreich, die sogenannte Ennsnahe Trasse. In den 1980er- un 1990er-Jahren riss die als vierspurige Schnellstraße geplante Verbindung der Pyhrnautobahn mit der Tauernautobahn Gräben bis hinauf in die Landes- und Bundespolitik auf.

In führender Position bei Gobal 2000

An vorderster Front mit dabei aufseiten der Projektgegnerinnen war damals eine gewisse Ulli Sima. Die heutige Wiener Stadträtin also, die im Konflikt um die umstrittene Stadtstraße nun auf der anderen Seite steht. Mit der jüngsten polizeilichen Räumung der Protestcamps samt Festnahmen von Aktivistinnen und Aktivisten hat sie zwar keine Freude, der Bau der Straße sei für die Stadterweiterung aber unabdingbar. Das Projekt ist rechtlich abgesegnet, also legal. Protest ist zumindest legitim. Konstruktive Gespräche zwischen Stadt und Protestierenden kamen nicht zustande.

Die Kleine Zeitung berichtete damals über den Gendarmerie-Einsatz zur Räumung der Baustellenbesetzung. Die Bilder aus den 1990ern ähneln jenen aus der Lobau 2022.
Foto: Kleine Zeitung (Faksimile)

Zurück ins Ennstal: 1995 bis 1999 war Sima in führender Position bei der Umweltschutzorganisation Global 2000 tätig. Die damals noch junge NGO engagierte sich neben der lokalen Initiative Nett (Nein zur Ennsnahen Trasse) am stärksten gegen das Projekt.

An den Pranger gestellt

In diese Zeit fielen heftige Auseinandersetzungen um die Enns nahe Trasse. Die Bilder von damals sowie Schilderungen von Dabeigewesenen erinnern stark an die jüngsten Proteste in Wien: Öko-Camps, die auf längere Aufenthalte vorbereitet waren, Aufrufe zum Widerstand, Anleitungen zum Sich-Anketten an Bagger. Es gab aber auch eine starke Befürworterseite mit dem Bürgerforum Pro Trasse. Unter anderem wurden Pranger mit Konterfeis von Umweltschützern aufgestellt.

Die Landesregierung und der Bund wollten das Milliardenprojekt unbedingt umsetzen. Es war als Lückenschluss auf der sogenannten Gastarbeiterroute gedacht und sollte Ortschaften vom Transitverkehr entlasten. Die Bundesstraße war auch berüchtigt als äußerst unfallträchtige Strecke.

Auftritt des Wachtelkönigs

Mitten in die auch rechtlichen Auseinandersetzungen ließ das Land ohne Genehmigung eine Betonbrücke auf die grüne Wiese bauen. Diese (inzwischen in die Umfahrung integrierte) Brücke bei Sallaberg sollte offensichtlich Fakten schaffen, doch es kam anders. Es kam der Wachtelkönig – ein geschützter Vogel, der hier sein Brutgebiet hat. Ein EU -Vertragsverletzungsverfahren wegen versäumter Schutzmaßnahmen wurde zwar eingestellt, doch im Jahr 2000 erklärte der damalige Infrastrukturminister Michael Schmid (FPÖ) schließlich das Ende der Ennsnahen Trasse. Der enttäuschte steirische Landesrat Gerhard Hirschmann (ÖVP) erklärte daraufhin den Wachtelkönig zum Wappentier der EU.

Auch Eva Glawischnig dabei

Andere freuten sich über den Erfolg im Kampf gegen die staatlichen Windmühlen: Nicht nur Ulli Sima hatte sich gegen den 15 Kilometer langen Autobahnabschnitt engagiert, sondern auch Eva Glawischnig. Schon als Jusstudentin gab die spätere Bundesobfrau der Grünen im steirischen Protestcamp Tipps für den Fall einer polizeilichen Räumung. Wie Sima gehörte auch Glawischnig zum Team von Global 2000, bevor sie 1996 in die Wiener Gemeindepolitik einstieg. 2018 wechselte sie überraschend in die Privatwirtschaft.

Ein Bild aus dem Jahr 2002: Ulli Sima (links) und Eva Glawischnig. Beide waren früher für Global 2000 tätig.
Foto: Alexander Tuma

Von Grün zu Rot

Ulli Sima, als Studentin noch bei den Grünen und Alternativen StudentInnen angedockt, ging den Weg der Sozialdemokratie. 1999 wurde sie Nationalratsabgeordnete, 2004 holte der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) die Molekularbiologin als Umweltstadträtin ins Rathaus. Seit Herbst 2020 ist sie Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität.

Die Umsetzung der Wiener Stadtstraße hat Sima quasi von ihren grünen Vorgängerinnen Maria Vassilakou und Brigitte Hebein geerbt. Das Projekt war seit vielen Jahren in Planung. Sehr beliebt war es bei den Grünen nie, sie sprachen sich auch während ihrer Koalitionszeit in Wien etwa gegen den Bau des damit zusammenhängenden Lobautunnels aus.

Sima gegen Gewessler

Dass dieser Lobautunnel – momentan – tatsächlich von der Liste der Straßenbauprojekte verschwunden ist, ist einer weiteren früheren Global-2000-Mitarbeiterin zu verdanken, der amtierenden Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne). Sie war von 2014 bis 2019 Geschäftsführerin der Umweltorganisation. Gewessler hat den geplanten Lobautunnel nach einer Evaluierung im vergangenen Dezember streichen lassen und sich damit den Ärger der Wiener Stadtregierung zugezogen. Wien hat angekündigt, dagegen rechtlich vorzugehen. Die fachliche Zuständigkeit fällt in das Ressort der ehemaligen Umweltaktivistin Ulli Sima. (Steffen Arora, Michael Simoner, 4.2.2022)