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Emmanuel Macron führt Wahlkampf – und setzt sein Gewicht für die EU ein.

Foto: Yoan Valat/Pool via REUTERS

Lille/Brüssel – Frankreich will mit einem neuen Vorschlag bis Juli Bewegung in die festgefahrenen Fronten bei der gemeinsamen EU-Migrationspolitik bringen. Schon seit der großen Flüchtlingskrise 2015 suchen EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedsstaaten nach Möglichkeiten zu Kompromissen. Aber weder bei der Asylpolitik noch bei den Maßnahmen gegen das illegale Schlepperwesen und der Sicherung der Außengrenzen gab es bisher substanzielle Fortschritte.

Die Interessengegensätze zwischen den Staaten sind beträchtlich. Die Kommission biss mit allen Konzepten dazu meist auf Granit. Die Geister scheiden sich vor allem an der Frage der gerechten Verteilung von Asylwerbern auf alle Länder. Eine Gesamtlösung für die vielen einzelnen Problemfelder wurde seit Jahren von einem EU-Vorsitz zum nächsten geschoben.

Dem will Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron nun mit einem ungewöhnlichen Vorstoß ein Ende bereiten. Er schlägt vor, dass man das zuletzt von Innenkommissarin Ylva Johansson vorgelegte "Migrationspaket" nur schrittweise umsetzt, indem man die Kompetenzen der Staaten stärkt. Ziel wäre es, zunächst schärfere Sicherheitsmaßnahmen an den EU-Außengrenzen zu schaffen und dafür zu sorgen, dass abgelehnte Asylwerber ohne Aufenthaltsrecht, die sich im Schengen-Raum aufhalten, rascher in ihre Herkunfts- und Transitländer zurückgeführt werden. Dafür müssten entsprechende Abkommen mit diesen Staaten beschleunigt werden.

Vorbild Eurogruppe

Im Gegenzug soll dafür gesorgt werden, dass die Grenzen im Inneren wieder komplett geöffnet werden und nationale Kontrollen in einigen Ländern, die wegen Terrorgefahr und der Pandemie seit Jahren wieder durchgeführt werden, ein Ende haben. Erreicht werden soll das durch die Einführung eines neuen "Schengen-Rates", in dem die zuständigen Minister der Staaten das Sagen haben, nicht die Kommission.

Um dem Nachdruck zu verleihen, trug Macron diese Idee persönlich bei einem Treffen der EU-Innen- und Justizminister in Lille vor. Die Schengen-Vereinbarungen werden bereits seit 1995 angewendet. Der Präsident will sie "beleben", wobei ihm als Vorbild das Modell der "Eurogruppe" vorschwebt, mit einem eigenen Vorsitzenden.

Die Mehrheit der Innenminister begrüßt stärkere Absicherung der Außengrenzen, auch Gerhard Karner (ÖVP) aus Österreich. Die deutsche Amtskollegin Nancy Faeser machte sich für eine "Koalition der Willigen" zur Flüchtlingsaufnahme stark. (Thomas Mayer, 3.2.2022)