Die Innenminister der EU kamen am Donnerstag in Lille zusammen und diskutierten Möglichkeiten einer geordneten Verteilung von Flüchtlingen.

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Lille – EU-Länder, die keine Migranten aufnehmen wollen, sollen laut Frankreich künftig dafür zahlen. "Wer keine Aufnahme von Flüchtlingen möchte, wird zu einem hohen finanziellen Beitrag verpflichtet", sagte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin nach einem Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag im französischen Lille. Darauf hätten sich die Teilnehmer einstimmig geeinigt. Aus dem Innenministerium in Wien kam dazu postwendend ein Dementi.

"Es gab keine Einigung zu diesem Punkt", widersprach ein Sprecher von Gerhard Karner (ÖVP). "Einigkeit bestand lediglich darüber, die Themen beim Asyl und Migrationspakt schrittweise zu verhandeln." Darüber hinaus würden bei einem informellen Rat keine formellen Beschlüsse gefasst.

Registrierung an EU-Außengrenze

Vorbild für die zitierte Vereinbarung sei das Abkommen von Valletta, in dem sich 2019 erstmals mehrere Staaten auf eine geordnete Verteilung von Bootsflüchtlingen geeinigt hatten, hatte Darmanin erklärt. Im Unterschied dazu solle die Aufnahme oder die finanzielle Beteiligung künftig aber verpflichtend sein. Allerdings müssten noch zahlreiche Details geklärt werden, insbesondere der Schlüssel der Verteilung und die Höhe der finanziellen Beteiligung. Er gehe davon aus, dass sich sehr viele Länder an der Aufnahme der Migranten beteiligen werde, sagte Darmanin.

Parallel dazu sollen Migranten nach ihrer Ankunft umfassender registriert und mit Blick auf ihre Asylaussichten gefiltert werden. "Wenn das an den EU-Außengrenzen so geschieht, wie wir uns das vorstellen, wird der Migrationsdruck abnehmen", sagte Darmanin. Frankreich setzt sich unter anderem dafür ein, Migranten auch mit Fotos und biometrischen Daten zu erfassen und Datenbanken miteinander zu verknüpfen. Auch da seien noch viele Details offen. "Bedeutet das, dass wir die Menschen an der Grenze festhalten? Wie lange? (...) Und unter welchen Bedingungen?", sagte Darmanin. Diese Fragen sollten auf dem EU-Gipfel im März besprochen werden.

Karner will Außengrenzschutz stärken

Österreichs Innenminister forderte dagegen in der Migrationsfrage eine "Allianz der Vernunft" unter den EU-Staaten. "Wir brauchen einen stärkeren und robusteren Außengrenzschutz", sagte Karner im Vorfeld eines informellen Treffens mit seinen EU-Amtskollegen im französischen Lille. Über die Verbesserung des Außengrenzschutzes und der Rückübernahmeabkommen seien sich auch alle einig. Über einen Verteilungsmechanismus brauche man derzeit nicht reden, betonte Karner.

"Wir brauchen absolut einen Fortschritt" in der Migrationsfrage, so Karner vor Journalisten. Österreich als Binnenland habe im vergangenen Jahr auf die Bevölkerung gerechnet die zweitmeisten Asylanträge in ganz Europa registriert. "Das heißt, im System funktioniert hier etwas nicht", sagte der Innenminister, der sich dankbar über die Initiative der französischen Ratspräsidentschaft zeigte.

Zur Unterstützung der "Allianz der Vernunft" zeigte sich Karner optimistisch. Er verwies auf eine gemeinsame Erklärung von 16 EU-Ländern, die von der EU-Kommission Finanzhilfen etwa zum Bau von Zäunen und anderen Befestigungen an den Außengrenzen fordern. Zu dieser Mehrheit der EU-Länder gehören auch Litauen und Polen.

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser warb unterdessen für eine "Koalition der Willigen" zur Flüchtlingsaufnahme. Außerdem sprach sie sich gegen mehr Abschottung Europas aus. "Deutschland steht nach wie vor für ein offenes, menschliches Europa", sagte die Sozialdemokratin. Sie unterstütze den Ansatz des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. "Ich gebe ihm recht: Freizügigkeit kann es nur mit besseren Kontrollen (an den EU-Außengrenzen) geben." (APA, 4.2.2022)