"Gute Beziehungen sind das Um und Auf im Berufsleben", sagt Arbeitspsychologe Johann Beran.
Foto: Thomas Poelz

STANDARD: In den USA jagt eine Erhebung über Einsamkeit im Job die andere. Bis zu 60 Prozent fühlen sich demnach in der Arbeit einsam. Auch bei uns sind Unternehmen damit konfrontiert. Wie sind wir da gelandet?

Beran: Homeoffice ist von manchen zuerst als willkommener Distanzhalter zu unliebsamen Kollegen oder unliebsamen Führungskräften begrüßt worden. Führen auf Distanz hat dann die wenig funktionierenden, aber immerhin existenten analogen und informellen Beziehungskulturen unterbrochen, und es gibt immer noch zu wenig Führungskräfte, die hier einen gangbaren Weg kennen oder gar erlernen wollen.

STANDARD: Es geht um den Totalverlust der Beziehungen im Jobleben?

Beran: Gute Beziehungen sind das Um und Auf im Berufsleben. Viele Untersuchungen haben gezeigt, dass wirklich gute und erfolgreiche Teams besonderen Wert auf Beziehungen und deren Pflege richten. Sie telefonieren häufiger und haben ein gutes Instrumentarium, auch digital Kontakt und Austausch zu halten. Es ist so: Vom Miteinander ins Nebeneinander in unserer hybriden Arbeitswelt führt letztlich ins Gegeneinander. Unternehmen mit Zukunftsabsichten müssen auf Nachhaltigkeit in allen existierenden Ebenen der Organisation schauen. Soziale sind dabei zentral.

STANDARD: Letztlich geht es doch um Aufmerksamkeit, oder?

Beran: Ja. Um zwischenmenschliche Lebensnotwendigkeit, wir sind soziale Wesen. Das kann ein Unternehmen nicht zur Gänze an externe Berater oder Psychologen auslagern. Leider geht aber der Trend dorthin, und er geht auch in Richtung Bots, die mir als Menschen mittels Standardisierter Fragen und Antworten Aufmerksamkeit simulieren. Das wird vom Gehirn nicht als Beziehung registriert.

STANDARD: Was ist zu tun?

Beran: Es ist unbedingt notwendig, Beziehungskultur schleunigst zu erlernen und zu implementieren. Führung und Kollegenschaft müssen lernen, wie Beziehung geht, welche Anzeichen für die Entwicklung von Störungen aus Isolationsgründen es geben kann und wie man damit umgehen muss. Vieles, aber nicht alles kann an externe Organisationen ausgelagert werden, dadurch lernen wir ja nix, weder für uns noch füreinander. Leider ist das auch ein boomender Markt geworden, der die nächste Abhängigkeitswelle fördert. Organisationen haben hier eine Lehrverpflichtung. (Karin Bauer, 5.2.2022)