Mit seinem Song "Flächendeckend 30" schaffte Flonky Chonks eine Hymne für entnervte Stadtradlerinnen und -radler.

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Rapper Sebastian Sperl aka Flonky Chonks.

Foto: Raphael Rameis

Wien – Nach rund 35.000 Kilometern im Sattel weiß Sebastian Sperl, aka Flonky Chonks, wovon er rappt. Der 31-jährige Sprechgesangskünstler mit oberösterreichischen Wurzeln arbeitet seit 2015 als Lastenradkurier in Wien. Die täglichen Erlebnisse im Großstadtverkehr aus Radlersicht hat er nun im Song "Flächendeckend 30" verarbeitet, mit dem es der Neo-Rapper auf Anhieb ins Finale des FM4-Protestsongcontests 2022 geschafft hat. "Ein Gutteil des Textes sind die Argumente und Denkweisen der klassischen Klischee-Autofahrer", erklärt Sperl.

Das Video zum Song entstand mit Freunden in Wien.
Flonky Chonks

Was beim ersten Hinhören lustig klingen mag, ist für Radlerinnen und Radler die sehr ernste Realität. "Wer wie ich viel mit dem Fahrrad unterwegs ist, sieht sich sehr oft mit gefährlichen Situationen konfrontiert", erzählt der Künstler. Das Hauptproblem sei der mangelnde Platz, der Radlerinnen und Radlern im Stadtverkehr zugestanden werde. "Autos überholen ohne Mindestabstand, wenn man zu weit links fährt. Zugleich riskiert man Dooring-Unfälle, wenn man zu nah an den parkenden Autos dran ist", beschreibt er den täglichen Spießrutenlauf. Auch Bedrohungen und Beschimpfungen durch genervte Autofahrerinnen und -fahrer zählen zum Alltag.

Battle-rappender Biologe

Zum Rappen kam der studierte Biologe und Nationalparkranger während der Corona-Pandemie: "Hip-Hop war schon immer eine Leidenschaft von mir. Und 2020 habe ich dann mein erstes Demo aufgenommen." Der Song kam gut an und Flonky Chonks machte zusammen mit Raphael Rameis, der für Beats und Arrangement zuständig ist, weiter. Der Track "Flächendeckend 30" entstand ebenfalls schon 2020 und ist Sperls Radl-Leidenschaft geschuldet: "Ich hab im Sommer vor zehn Jahren, als mein Semesterticket nicht mehr gültig war, mit dem Radeln begonnen. Mittlerweile würde ich mich als Fahrrad-Aktivisten bezeichnen", beschreibt er seinen Werdegang zum Radkurier und Radl-Rapper.

Seine Kritik, die er nun in Liedform verpackt hat, dreht sich etwa um die Flächenverteilung im urbanen Raum: "Zwei Drittel des Platzes sind dem motorisierten Verkehr vorbehalten." Auch die durch Luftverschmutzung mitverursachten Todesfälle will Sperl zum Thema machen: "Rund 6.100 Menschen sterben jährlich vorzeitig aufgrund von Abgasen. Darüber spricht kaum jemand."

Autofahrer Advisory: Explicit Lyrics

In seinen Texten ist Flonky Chonks wenig zimperlich und hält vor Wut rasenden Motoristen den Spiegel vor die Fratze. "Nimmst ihm den Vorrang, wird er zum Killer. Lendenregion wie ein Chinchilla", heißt es da zum Beispiel. Wenig schmeichelhaft, aber leider allzu oft wahr auch die Zeile "Steigt der Mensch ins Auto, wird er zum Affen". Provokant und eine Reminiszenz an die Amsterdamer Radl-Bewegung der Reim "Es kann nicht sein, dass auf Gedeih und Verderb, alle Autofahrer ständig behindert werden. Nur weil am Schulweg ein paar Kinder sterben".

Das Video zum Song hat Sperl mit Freundinnen und Freunden auf der Prater Hauptallee in Wien gedreht. "Ich bin sehr stolz darauf, dass im ganzen Clip kein einziges Auto vorkommt", sagt der Radl-Rapper mit ironischem Unterton. Auch Hip-Hop-Klischees wie fette Autos und leichtbekleidete Frauen konterkariert Flonky Chonks in seinem Video bewusst mit seiner radelnden Gang und einer guten Freundin, die am Lastenrad mittanzt.

Bühnenpremiere beim Protestsongcontest

Am kommenden Samstag, dem 12. Februar, wird der Neo-Rapper beim Protestsongcontest-Finale erstmals in seinem Leben auf der Bühne stehen. "Ich hatte vor der Pandemie noch nie ein Mikro in der Hand, nun der erste Auftritt, als nächstes soll heuer das erste Album folgen", skizziert Flonky Chonks die nächsten Karriereschritte.

Ein Leben als hauptberuflicher Musiker strebt er dennoch nicht an: "Ich bin 31, da hat man bereits gewisse Verpflichtungen. Jetzt noch von einer Rap-Karriere zu träumen wäre illusorisch." Auch das Kurierfahrerdasein am Lastenrad wird bald der Vergangenheit angehören. Denn künftig will Sperl seinen beruflichen Schwerpunkt auf seine Tätigkeit als Biologe legen. Vielleicht könnte ein Sieg beim Protestsongcontest diese Pläne noch einmal verändern. Mit seiner ebenso eingängigen wie kämpferischen Hymne für leidgeplagte Stadtradlerinnen und -radler hat er jedenfalls einen Nerv getroffen. (Steffen Arora, 5.2.2022)