Benko kaufte zuerst das Leiner-Haus in der Mariahilfer Straße, dann die gesamte Möbelkette.

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Am Ende, als der Deal endlich in trockenen Tüchern war, schickte Thomas Schmid vom Berg Athos aus ein Selfie mit erhobenem Daumen an René Benko. "Coole Sache Rene!!!", schrieb der damalige Generalsekretär im Finanzministerium an den Unternehmer. Die "coole Sache" hatte in den Tagen davor nicht nur Schmid und sein Ressort, sondern auch das Kanzleramt auf Trab gehalten: Es ging um nichts weniger als die Übernahme der schwer angeschlagenen Möbelkette Kika/Leiner durch Benkos Signa.

Die südafrikanische Kika/Leiner-Mutter Steinhoff hatte schon länger mit heftigen finanziellen Problemen gekämpft und deshalb bereits im Dezember 2017 das Leiner-Haus auf der Wiener Mariahilfer Straße an Benko verkauft. Das Geld daraus schützte jedoch nur kurz vor dem Kollaps, der dann im Sommer 2018 bevorstand. Nun zeigte sich Benko nicht nur an den Immobilien des Konzerns interessiert, sondern an einer Gesamtübernahme der Möbelhandelskette.

"Wahnsinn!!!"

Genossen hat Benko dabei massive Unterstützung der türkisen Truppe und ihres Umfelds. Von zentraler Bedeutung: die Netzwerkerin Gabriele Spiegelfeld, die im türkisen Wahlkampf Unternehmerfrühstücke für Sebastian Kurz organisiert hat. Sie berichtete Schmid am 12. Juni erstmals von Übernahmegesprächen, am 13. Juni über den aktuellen Verhandlungsstand.

Es habe sich ein großes Problem aufgetan: Die Finanzschulden der Konzernmutter seien höher als gedacht, die hätte sich "um 60 Millionen Euro verrechnet". "Wahnsinn!!!", antwortete Schmid von seinem griechischen Urlaubsort in der orthodoxen Mönchsrepublik aus. Spiegelfeld schrieb weiter: Benko sei "weg", also aus dem Rennen, weil ihm die "Restrukturierungskosten zu hoch" seien. Es gebe aber noch ein zweites Bieterkonsortium unter der Beteiligung von Frank Albert. Seine Gesellschaft Supernova hatte 2015 die rund 60 Baumax-Filialen in Österreich übernommen und der ÖVP gespendet. Das Konsortium rund um Albert brauchte laut Spiegelfeld aber eine "Stundung der Finanzschulden" des Möbelhändlers.

Dazu erkundigte sich Schmid bei seinem Kabinettsmitarbeiter Bernhard Perner, der später zum Chef der Covid-Finanzierungsagentur Cofag werden sollte. "Nur eines ist sicher: die pokern", antwortete ihm der. Jedenfalls legte Signa am nächsten Tag ein Angebot, über das Signa-Manager Christoph Stadlhuber Schmid vorab informierte: "Von uns geht in Kürze Angebot raus! Was braucht ihr denn für Garantien? (…)" Bei diesen Haftungen ging es um Absicherungen für die Finanzverwaltung, dass die Schulden des Möbelhändlers auch wirklich bedient werden. Die konnte Signa aufstellen.

"Zu wem halten wir???"

Die Verhandlungen zogen sich jedoch weiter hin – auch weil Steinhoff im Ausland Schulden hatte und diese Gläubiger Ansprüche stellten. Die Uhr tickte immer lauter: Die Pleite von Kika/Leiner ließ sich nicht mehr viel länger hinausschieben – für Benkos Signa galt es also, schnell zu sein. Aber auch Alberts Bieterkonsortium war offenbar noch im Rennen. "Zu wem halten wir???", wollte Spiegelfeld damals von Schmid wissen. "Wir sind für Rene Benko. Denke der ist mit HBK (Herr Bundeskanzler, Anm.) abgestimmt", antwortete dieser. Das Bundeskanzleramt "wollte sich schon als Retter verkünden".

Bei einer Übernahme durch Albert habe die Politik einen massiven Stellenabbau befürchtet, erzählten Involvierte später dazu. Das sei politisch auch deshalb nicht opportun gewesen, weil Alberts Supernova öffentlich als Spender an die ÖVP bekannt gewesen sei. Deshalb habe auch der damalige Kanzler selbst mit Albert telefoniert. Das berichtete auch Spiegelfeld am frühen Abend des 14. Juni an Thomas Schmid. Sogar die Verleihung eines Ehrenkreuzes an Unternehmer Albert soll damals als Argument ins Spiel gebracht worden sein, "ich hab ihm gesagt, du gibst ihm kein Ehrenzeichen", schrieb Spiegelfeld an Schmid. Kurz vor 20 Uhr hatte sie berichtet: "Albert auf Schiene". Das Ehrenkreuz erhielt Albert jedenfalls im Herbst 2018 von Finanzminister Hartwig Löger "für seine unternehmerische Qualität und den sozial verträglichen Abbau der Baumax AG".

Herzschlagfinale

Doch zurück zum entscheidenden Abend. Für eine Einigung in der Kika/Leiner-Sache blieben nur mehr wenige Minuten: "Um 20 Uhr muss es gelöst sein, sonst Insolvenz", hieß es in einem Chat. Doch die Sache wurde noch einmal "zach" (Spiegelfeld), erst um 20.27 Uhr kam das finale Angebot der Signa. "Deal fliegt", meldete Perner um 20.24 Uhr an Schmid. Dasselbe schrieb ihm Signa-Manager Stadlhuber drei Minuten später, und: "Danke an Perner", ohne den es nicht geklappt hätte. Man habe Stadlhuber "so gut es ging zugearbeitet", versicherte Schmid Unternehmer Benko.

Für Schmid hatte die Sache allerdings ein Nachspiel: Mehrere Medien hatten nahezu live über die Verhandlungen berichtet. Der "Trend" schrieb zudem, dass Schmid vom Kanzler gebeten worden war, Fristenläufe im Bundesrechenzentrum zu verzögern. "Ich bin tot", kommentierte Schmid, als ihn ein Mitarbeiter darauf ansprach. Teils anonyme Anzeiger sahen darin Hinweise auf Amtsmissbrauch durch Schmid. Die WKStA interpretiert es allerdings anders, wie nun die "Presse" berichtete: Schmids Reaktion sei wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass durch diesen Artikel eine direkte Intervention von Kurz bekannt wurde und das Leak auf ihn zurückfallen könnte. Die WKStA führt selbiges aber auf eine Mitarbeiterin aus dem Kabinett zurück, die "von wohl kaum für die Öffentlichkeit bestimmten Telefonaten zwischen Schmid und Kurz ungefähre Kenntnisse erlangt" und flugs an Medien ausgeplaudert hätte.

Was sich aus all dem ergab: Die WKStA hat keine Ermittlungen gegen Schmid aufgenommen.

Für Albert war Kika/Leiner "zu teuer"

Frank Albert erklärt seine Rolle im Kika/Leiner-Deal auf Anfrage des STANDARD so: Er habe zwar Interesse gehabt, aber der Preis für die Möbelhauskette sei ihm zu hoch gewesen, weswegen er schon nach ein paar Tagen aus dem Verkaufsvorgang ausgestiegen sei. Die Politik habe dabei keinen Einfluss gehabt. Und das Ehrenzeichen: Hat man ihn damit vielleicht aus dem Deal rausgelockt? Nein, das habe man ihm später angeboten und er habe es angenommen – bemüht habe er sich aber nicht darum. Das sei nicht sein Stil, lässt der Unternehmer wissen.

Und Beraterin Spiegelfeld? Sie sagt, sie habe den Deal mitverfolgt, weil er sie aus wirtschaftlicher Sicht interessiert habe und sie mit Albert befreundet sei.

(Renate Graber, Fabian Schmid, 4.2.2022)

*Der Artikel wurde um 14.55 Uhr ergänzt.