Corona-bedingt ist der Flugverkehr zwar eingebrochen, der Trend geht aber weiter nach oben.

Foto: AFP/GERARD JULIEN

Wenn es um den Wandel hin zu klimafreundlicher Mobilität geht, ist das Fliegen das Sorgenkind: Zwar ist der weltweite Flugverkehr mit rund 2,8 Prozent nur für einen Bruchteil der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, doch pro Kilometer und Person ist keine Art der Fortbewegung klimaschädlicher. Rund 400 Gramm CO2 bläst ein Flugzeug pro Kilometer und Passagier in die Luft – das sind fast doppelt so viele Emissionen, wie ein Auto verursacht, und fast 30-mal so viel wie ein Kilometer mit der Bahn.

Doch während für den Straßenverkehr langsam Alternativen in Reichweite rücken, ist es bedeutend schwieriger, Flugzeuge nachhaltiger zu machen. Denn Akku-Flieger und solche, die mit Wasserstoff fliegen können, stehen erst ganz am Anfang.

Kerosin aus Strom

Ein Hoffnungsträger sind deshalb sogenannte E-Fuels – das sind Treibstoffe, die solchen aus fossilem Erdöl sehr ähnlich sind, aber synthetisch aus Strom und CO2 erzeugt werden. Der Clou: Sie lassen sich in bestehenden Verbrennungsmotoren einsetzen und setzen bei der Verbrennung nur jenes CO2 frei, das in der Produktion benötigt wurde – zumindest so lange nur erneuerbare Energie für die Synthese eingesetzt wird.

E-Fuels allein könnten den Flugverkehr allerdings nicht klimagerecht machen, sind sich Expertinnen und Experten einig, die vergangenen Donnerstag bei einer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) organisierten Tagung diskutierten.

Enormer Stromverbrauch

Auch weil im Laufe des Prozesses viel Energie verloren geht, wäre eine gigantische Menge Strom notwendig, um die gesamte Branche mit nachhaltigen E-Fuels zu versorgen. Rund 8,7 Petawattstunden (PWh) wären es 2020 gewesen, rechnet Martin Cames vom deutschen Öko-Institut vor. Bis 2050 könnte man gar mit 16 bis 23 PWh rechnen, wenn man den Prognosen der Branche Glauben schenkt. Zur Einordnung: Momentan produziert die Welt rund 31 Petawattstunden Grünstrom – Tendenz zwar stark steigend, aber auch Haushalte, Industrie und E-Autos wollen mit nachhaltiger Energie versorgt werden. Auch um die Infrastruktur für die Herstellung der synthetischen Treibstoffe aufzubauen, werden noch Jahre benötigt.

Kurzfristig müsste deshalb vor allem die Nachfrage reduziert werden, sagt Silke Bölts von der Brüsseler Umweltorganisation Transport & Environment. Hohes Potenzial sieht sie vor allem in Geschäftsreisen, die schon während Corona oft durch Videokonferenzen ersetzt wurden. Sie könnten bis 2050 um rund 50 Prozent reduziert werden, auch der Freizeitverkehr soll sinken.

Ende für Billigtickets

Die verbleibende Nachfrage könnte dann vor allem ab Mitte der 2030er-Jahre durch E-Fuels, aber auch durch Biokraftstoffe sowie batterieelektrische Flugzeuge und solche mit Wasserstoffantrieb bedient werden. So könnte die Flugbranche laut der Roadmap von Transport & Environment bis 2050 bei null Emissionen angelangt sein.

Einig sind sich die Fachleute auch, dass es mehr Kostenwahrheit im Flugsektor braucht. Das heißt: Die Klimaschäden, die durch die Fliegerei entstehen, müssten in die Tickets eingepreist sein. Erst Billigairlines hätten "das günstige Wochenende in Barcelona" möglich gemacht und so den Flugverkehr angekurbelt, merkt etwa Stefan Grebe, Experte für Mobilität und Transport beim niederländischen Beratungsunternehmen CE Delft, an.

Progressive Steuern

Preiserhöhungen allein würden aber laut Grebe nicht reichen, da diese die Reichen und Geschäftsreisenden kaum treffen würden. Helfen könnte ein progressiver Steuersatz für Flugreisen: Während der erste Flug im Jahr kaum besteuert werden würde, müssten Vielflieger mit jeder zusätzlichen Reise immer mehr bezahlen. Grebe gibt zwar zu, dass so eine Regelung juristisch schwierig umzusetzen wäre, allerdings gibt es auch in anderen Bereichen bereits progressive Steuern. Momentan sei es jedenfalls genau umgekehrt: Mit Bonusprogrammen werden Vielflieger auch noch belohnt.

Bölts wünscht sich vor allem eine Kerosinsteuer in Höhe von 33 Cent pro Liter. Dieses sei derzeit nämlich noch oft steuerfrei. Den Flugverkehr reduzieren könnten auch ein Stopp von Subventionen für den Ausbau von Flughäfen, die verstärkte Nutzung anderer Verkehrsträger, eine Preisuntergrenze für Tickets sowie eine Einbeziehung aller abgehenden Flüge ab 2024 in den Europäischen Emissionshandel.

Achtel des Stroms für E-Fuels

Mit diesen Maßnahmen könnten im Jahr 2050 rund ein Achtel der europäischen Stromproduktion für E-Fuels draufgehen, in einem Business-as-usual-Szenario mit steigender Nachfrage wäre es ein Viertel. Ganz klimaneutral wird das Fliegen aber auch mit E-Fuels nicht werden. Denn neben CO2-Emissionen heizen auch Kondensstreifen und Ozon in großen Flughöhen das Klima an. Synthetische Treibstoffe könnten zwar so designt werden, um das Problem abzuschwächen, ganz verhindern lässt es sich aber nicht.

Der Entwurf der "ReFuel EU"-Initiative, das auch Teil des Fit-for-55-Pakets ist, sieht vor, dass ab 2025 zwei Prozent nachhaltige Treibstoffe dem Flugbenzin beigemischt werden müssen. Bis 2050 soll dieser Anteil auf 63 Prozent steigen. (pp, 7.2.2022)