Auch wenn es ein PR-Bild ist, zeigt das Foto beeindruckend, wie das Bundesheer in der Steiermark Lawinen auslöste.

Foto: Bundesheer / Ertl

Wien/Innsbruck – "Die Lawine macht keinen Unterschied", gibt Rudi Mair vom Lawinenwarndienst des Landes Tirol im STANDARD-Gespräch zu bedenken. Ein Schneebrett in den Bergen wird von einheimischen Wintersportlern ebenso ausgelöst wie von Tagestouristinnen, auch vermeintliche Experten kann es treffen, wenn sie nicht vorsichtig sind. Und zur Vorsicht wird Tourengehern und Variantenfahrerinnen derzeit in den Nordalpen geraten: Die Lage soll auch am Montag kritisch bleiben.

Acht Menschen starben am Freitag in Tirol und Vorarlberg, fünf alleine in Spiss in Tirol – vier Gäste aus Schweden und ein einheimischer Bergführer. Tags darauf waren von einem Abgang in Schmirn (Bezirk Innsbruck-Land) unterhalb der Gammerspitze fünf Wintersportler betroffen, eine Person starb, vier Menschen wurden verletzt ins Krankenhaus geflogen. Im benachbarten Bayern starb Samstagmittag ein 61-jähriger Salzburger unter den Schneemassen, sein aus dem Flachgau stammender Tourenpartner wurde verletzt, aber lebend gerettet. Alleine in Tirol wurden von Freitag bis Sonntag rund 100 Lawinenabgänge registriert.

"Schwachschicht" und Gleitschnee" machen Probleme

Was aber macht die Situation derzeit so gefährlich? Auf der Webpage des Tiroler Lawinenwarndienstes ist ersichtlich, dass vor allem die "bodennahe Schwachschicht" und der "Gleitschnee" für erhöhtes Risiko sorgen. Unter der Schwachschicht versteht man, dass sich früher gefallener Schnee in schattigen, steilen Hängen zu großen Kristallen umwandelt. Fällt darauf wieder Schnee, kann sich der neue Niederschlag nicht richtig mit der vorhandenen Schicht verbinden.

Beim Gleitschnee wiederum sorgt die Schwerkraft auf steilem oder glattem Untergrund dafür, dass die Schneedecke abreißt und sich sogenannte Gleitschneemäuler bilden. Die sind zwar an sich mit freiem Auge erkennbar; legt sich aber eine frische Schneedecke darüber, können sie zur tödlichen Gefahr werden.

"Wir erfüllen unsere Bringschuld"

Über die man sich aber im Vorfeld informieren kann, wie Rudi Mair betont. Bereits im Gespräch mit der "Austria Presse Agentur" zeigte er sich "wütend und enttäuscht", schließlich habe der Lawinenwarndienst seit Tagen vor der drohenden Gefahr gewarnt. Auch gegenüber dem STANDARD stellt er klar: "Es sind alle Informationen da. Wir erfüllen unsere Bringschuld. Aber die Leute müssen sich die Informationen auch holen!", appelliert er an die Wintersportler. Gleichzeitig warnt er davor, nur auf die fünfstufige Warnskala zu achten, sondern eben auch auf die Zusatzinformationen, wo welche Gefahr herrscht.

Derzeit gilt in Tirol die Warnstufe drei, "erheblich", was grundsätzlich nicht so schlimm klingt, dennoch kann das Verlassen der Pisten in bestimmten Gebieten zum Vabanquespiel werden. Die Tendenz ist aber steigend: Mit Beginn der Semesterferien in den östlichen Bundesländern könnte die Stufe vier kommen. Denn die Meteorologen kündigen bis zu einem halben Meter Niederschlag am Alpenhauptkamm und nördlich davon an. Gemeinsam mit starken Windböen ist das bei der störanfälligen Schneedecke keine gute Kombination.

Sprengstoff aus dem Heli

Was kann man gegen die Lawinengefahr machen? In der Steiermark wurde am Wochenende nach Anforderung der örtlichen Behörden das Bundesheer eingesetzt, um Pisten und gefährdete Ortschaften zu sichern. Über der Planneralm und der Tauplitz (Bezirk Liezen) sowie in Eisenerz (Bezirk Leoben) warf das Heer Sprengstoff ab, um Lawinen kontrolliert auszulösen.

Wer glaubt, dass Soldaten dazu aus Hubschraubern ein paar Handgranaten in den Schnee werfen, irrt. Tatsächlich handelt es sich um einen komplexen Vorgang, wie Jürgen Jäger von der Pressestelle des Heeres verdeutlicht. Eine dreiköpfige Besatzung flog in einer Alouette III zunächst einen geeigneten Sprengpunkt an. Nachdem der erreicht worden war, machte der Lawinensprengbefugte an Bord die Zeitzündschnur an den Fünf-Kilo-Paketen Industriesprengstoff scharf und warf sie ab. Zwei Minuten später detonierte die Ladung. Auch in Tirol und Vorarlberg stehen Heeres-Helis in Bereitschaft. (Michael Möseneder, 6.2.2022)